Über das geistliche Wachstum

Sonntag, den 09. September 2012 um 11:36 Uhr
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Für diejenigen, die am Weg des Mönchtums Interesse haben, oder sich allgemein für das Wachstum im Geiste interessieren, gibt es jetzt im Internet in deutscher Sprache folgenden interessanten Text des heiligen Ignatij (Brjantschaninov) mit nützlichen Anmerkungen:

Gespräch zwischen einem Weltlichen und einem Mönch - Teil 1

Was das Mönchtum ist – Vorurteile und Unwissenheit hierüber

Weltlicher: Mein Vater, ich schätze mich glücklich, Euch begegnet zu sein, denn in Euch habe ich einen Menschen gefunden, dem ich mein Herz öffnen kann und von dem ich stets aufrichtige Worte höre. Ich sehne mich, ja ich sehne mich wirklich von ganzem Herzen, in meinem Leben konsequent der dogmatischen und geistigen Tradition der Orthodoxen Kirche zu folgen, der ich angehöre. Deshalb bemühe ich mich, eine klare Kenntnis aller Themen dieser Tradition zu erlangen. Denn unrichtige Kenntnis hat unrichtige Lebensführung zur Folge. Und unrichtige Lebensführung ist die Quelle von Schäden sowohl auf der persönlichen als auch der gesellschaftlichen Ebene. Deshalb möchte ich, dass Ihr mir in unserem heutigen Gespräch die Bedeutung des Mönchtums für die Kirche Christi erklärt.

Mönch: Gott segne deine Sehnsucht. Aus den genauen und richtigen Kenntnissen kommen alle guten Dinge. Aus den falschen und unwahren Kenntnissen aber kommen alle Übel. Dies lehrt uns das Evangelium, indem es die Wahrheit als erste Ursache des Heils aufzeigt und die Unwahrheit als erste Ursache des Verderbens (s. Joh 8,32 / 8,44). Doch warum willst du, dass gerade das Mönchtum das Thema unseres Gesprächs sei?

Weltlicher: In dem Freundeskreis, wo ich verkehre, kommt das Gespräch oft auf das Mönchtum. Dabei werden verschiedene Meinungen geäußert. Meist wenden sich die anderen dann an mich, damit auch ich meine Ansicht äußere, denn sie wissen, dass ich in Verbindung bin mit vielen geistigen Menschen. Und da ich ihnen richtige Auskünfte geben möchte, bitte ich Euch, mir dieses Thema darzulegen.

Über das Mönchtum 1.pdf -/- Über das Mönchtum 2.pdf

Mönch: Ich weiß nicht, bis zu welchem Grad ich dich zufriedenstellen kann. Ich will mich jedoch ehrlich bemühen, dir das vorzulegen, was ich aus dem Studium der Heiligen Schrift und der Heiligen Väter, aus Gesprächen mit verehrungswürdigen und zuverlässigen Mönchen sowie aus meinen eigenen Beobachtungen und Erfahrungen weiß. Fundament und Eckstein unseres Gesprächs, das will ich von vornherein festhalten, wird die Tatsache sein, dass das Mönchtum nicht eine menschliche, sondern eine göttliche Institution ist.
Weltlicher: Sieh mal an! In meinem Freundeskreis habe ich nie jemanden sagen gehört, das Mönchtum sei eine göttliche Institution.

Mönch: Ich weiß. In weltlichen Kreisen, wenn man über das Mönchtum zu diskutieren anfängt, pflegt der eine zu sagen: „Mir scheint es so!“, der andere: „Mir jedoch so!“, der dritte: „Ich würde es so machen!“ und der vierte: „Ich aber würde es anders machen!“ Tausendundzwei verschiedene Ansichten werden vorgebracht, von Leuten, die zwar keine Idee haben vom Mönchtum, aber sogleich zur Hand sind, um Regeln aufzustellen für das Mönchsleben und dasselbe zu organisieren, ohne irgendeinen Beweis zu erbringen für die Richtigkeit ihrer „weisen“ Vorschläge. Einige wiederholen sogar noch die Vorwürfe der Protestanten oder der Atheisten gegen das Mönchtum. Trauer und Schmerz ergreift das Herz beim Hören solcher Stimmen und Urteile, tritt hier doch die Unwissenheit auf grobe Art die kostbarste Perle, die heiligste Institution unserer kirchlichen Tradition mit Füssen.

Weltlicher:
Genau! Die Unwissenheit ist die Ursache hiefür, wie Ihr richtig sagt, Vater.

Mönch: Und glaub nicht, die Unwissenheit sei ein unbedeutendes Übel. Die Heiligen Väter betrachten sie vielmehr als sehr großes Übel, als das erste Übel überhaupt, aus dem die Vielzahl aller anderen Übel stammt.
Der heilige Markus der Asket sagt, dass die Unwissenheit der erste und hauptsächlichste der drei Riesen ist, die dem Teufels dienen(2). Und ein anderer Vater bemerkt, dass die Unwissenheit im Unwissen ist über ihre eigene Unwissenheit und Genugtuung empfindet über ihr unwissendes Wissen(3). Deshalb kann sie großen Schaden anrichten, ohne es überhaupt zu gewahren. Ich sage dies aus Mitgefühl für jene Menschen, die nicht begreifen, worin ihre Würde als Menschen besteht, für jene Christen, die die Essenz des Christentums nicht kennen und aus Unwissenheit gegen sich selbst ins Feld ziehen.
Doch denk nicht etwa, ich habe vor, die menschliche Schwäche und die menschlichen Entgleisungen zu verhüllen, die man in dieser göttlichen Institution beobachtet. Keineswegs! Die Anprangerung und Korrektur solcher Entgleisungen ist ein Zeichen der Ehrfurcht gegenüber der Institution, die Gott den Menschen gegeben und ihrem guten Willen überlassen hat.

Weltlicher: Auch diesen letzten Eurer Gedanken höre ich zum ersten Mal. Nie habe ich bisher das Mönchtum unter diesem Gesichtspunkt betrachtet oder bei anderen eine solche Ansicht festgestellt.

Mönch: Was ich gesagt habe, bezieht sich nicht nur auf das Mönchtum, sondern auf die Kirche insgesamt, jene des Alten Bundes ebenso wie jene des Neuen Bundes. Die Gründung der Kirche des Alten Bundes durch Gott und ihre Übergabe an das jüdische Volk wurde vom Herrn allegorisch dargestellt im Gleichnis von den bösen Winzern (s. Mt 21,33ff). Die Gründung der Kirche des Neuen Bundes durch den Gottmenschen und ihre Übergabe an ein anderes Volk, das christliche, das aus allen Völkern der Erde besteht, wird bekanntgemacht durch die vier Evangelien, die Apostelgeschichte und sämtliche Epistel (s. z.B. Eph 1,22-23; 2,10-13).
Die Juden hatten Gott Rechenschaft abzulegen über die Bewahrung und Verwaltung des ihnen Anvertrauten. Weil sie Ihm jedoch nicht gefielen durch ihr Verhalten und nachdem sie sich durch ihren eigenen Willen geistig entfernt hatten von Ihm, verwarf Er sie und bestrafte sie.
Gleicherweise wird dereinst auch von den Christen Rechenschaft gefordert werden, nämlich darüber, wie sie umgegangen sind mit dem göttlichen Schatz der Kirche des Neuen Bundes als Ganzem und jenem Teil, der als Mönchtum bezeichnet wird, im besonderen.

Weltlicher: Ist es möglich, mit Hilfe der Heiligen Schrift den Weg der Kirche des Neuen Bundes auf Erden vorauszusehen und wo er enden wird?

Mönch:
Die Heilige Schrift bezeugt, dass die Christen, wie es mit den Juden geschehen ist, nach und nach anfangen werden, gleichgültig zu werden gegenüber der Lehre des Herrn. Sie werden nicht mehr groß achten auf die Erneuerung der menschlichen Natur durch die Gnade des Gottmenschen. Sie werden die Ewigkeit vergessen und ihr ganzes Interesse dem irdischen Dasein zuwenden. Sie werden sich beschäftigen mit der Verbesserung der Bedingungen ihres alltäglichen Lebens, geradeso als würden sie ewig auf der Erde bleiben, sowie mit der Entwicklung ihrer gestürzten Natur, zum Zweck der Befriedigung aller perversen Ansprüche und Begierden der Seele und des Leibes.
Es versteht sich von selbst, dass in einer solchen Lebensweise kein Raum ist für den Erlöser, Der den Menschen für die selige Ewigkeit losgekauft hat. Die Entfernung der auf diese Art lebenden Menschen vom Christentum, ihre Apostasie, ist unausweichlich. Und die Apostasie wird kommen, wie die Heilige Schrift prophezeit (s. 2 Thess 2,3).
Von der allgemeinen Erschlaffung der Christenheit wird auch das Mönchtum nicht ausgenommen sein, denn es ist unmöglich, dass irgendein Glied unbetroffen bleibt, wenn der ganze Körper erkrankt. Im übrigen haben es die heiligen Mönche der vergangenen Zeiten vorausgesagt, erleuchtet vom Heiligen Geist, Der in ihnen wohnte (4).
Wenn das Christentum aufs Äußerste zusammengeschrumpft sein wird auf Erden, wird das
Leben aufhören in der Welt (s. Lk 18,8, Mt 24,21ff).

Weltlicher: Welches ist die Funktion des Mönchtums in der Kirche Christi?

Mönch: Die Mönche sind jene Christen, die die irdischen Beschäftigungen soweit wie möglich aufgegeben haben, um sich dem Gebet zu ergeben, der höchsten aller Tugenden, und vermittels desselben eins zu werden mit Gott. Denn wie der Apostel sagt, „wer dem Herrn anhängt, wird ein Geist mit Ihm“ (1 Kor 6,17). Und weil das Gebet seine Kraft von allen anderen Tugenden und von der gesamten Lehre Christi bezieht, ringen die Mönche ganz besonders darum, die evangelischen Gebote zu erfüllen.
Denjenigen Geboten aber, deren Erfüllung für alle Christen Pflicht ist, fügten sie noch zwei Dinge hinzu, die nicht Gebote, sondern Empfehlungen Christi sind: Besitzlosigkeit und Jungfräulichkeit(5). Mit ihrer Lebensführung versuchen die Mönche, dem Gottmenschen ähnlich zu werden. Deshalb auch werden die heiligen Mönche „prepodobnij“ genannt(6).

Weltlicher: Woher haben die Mönche ihren Namen?

Mönch: Das Wort „Mönch“(7) und seine Ableitungen stammen von dem griechischen Wort „monos“, d.h. „allein“. Der Mönch ist einer, der allein oder abgesondert lebt. „Monastir“ [Kloster] ist die abgelegene und abgesonderte Behausung. Mönchtum ist das Leben in Absonderung. Es ist ein anderes Leben, das sich unterscheidet vom üblichen, gewöhnlichen Leben der Menschen. Deshalb wird es im Russischen wiedergegeben mit dem Begriff „inótsestwo“(8).
Die Begriffe „Koinobion“, „Skite“, „Hesychast“, „Anachoret“, „Klausner“, „Eremit“ bezeichnen je verschiedene Formen des Mönchslebens. Das koinobitische Mönchtum ist eine Form des Zusammenlebens einer mehr oder weniger großen Anzahl von Mönchen, die alles gemeinsam haben (s. Apg 2,44) – Nahrung, Kleidung, heilige Gottesdienste usw. – und von einem Vorsteher geleitet werden, der Higumen genannt wird. Das hesychastische Mönchtum ist das Zusammenleben von meist zwei oder drei Mönchen in einem Kellion, die sich entweder untereinander abstimmen oder vom ältesten unter ihnen geleitet werden. Auch sie haben Nahrung, Kleidung und die anderen materiellen Dinge gemeinsam. Leben sie in einer Skite, vollziehen sie die Gottesdienste der 5 Wochentage in ihrem Kellion und begeben sich für die Gottesdienste des Samstags und des Sonntags in die gemeinsame Kirche der Skite. Das anachoretische Mönchtum ist das Leben eines einzigen Mönchs in völliger Einsamkeit. Verharrt ein Anachoret ständig eingeschlossen in seiner Zelle, bezeichnet man ihn als Rekluse oder Klausner. Lebt er in einer unbewohnten Wildnis oder Wüste, nennt man ihn Eremit.

Die Entstehung des Mönchtums

Weltlicher:
Seit wann gibt es das Mönchtum?

Mönch: Das koinobitische Leben entstand zur Zeit der heiligen Apostel, wie Abba Kassianos bezeugt(9). Abba Kassianos, Mönch und Schriftsteller des 4./5. Jahrhunderts, besuchte die Koinobien Ägyptens, wo damals das Mönchtum blühte, und blieb etliche Zeit in der Sketis. Er schrieb die Regeln der ägyptischen Koinobien sowie die Weisungen der ägyptischen Mönche nieder und überlieferte sie den nachfolgenden Generationen.
Wie er berichtet, bezeichnete man in urchristlicher Zeit als Mönche die besten Jünger des heiligen Apostels und Evangelisten Markus, des ersten Bischofs von Alexandria, die sich an einsame Orte außerhalb der Städte zurückzogen und dort ein äußerst asketisches Leben führten gemäß den Regeln, die ihnen der Evangelist überliefert hatte(10).
Aus dem Leben der hl. Martyrerin Eugenia(11), deren Vater, Philippos, Gouverneur von Ägypten war in den Jahres des römischen Kaisers Commodus (180 bis 192), erfahren wir ferner, dass es damals in Alexandria ein Kloster gab und dass Bischof Helenos von jungen Jahren an das Mönchsleben führte.
Der jüdische Historiker Philo von Alexandria, Zeitgenosse der Apostel (20 oder 15 v. Chr. bis 42 n. Chr.), beschreibt das Leben der Therapeuten, wie man sie nannte(12), auf gleiche Art, wie Abba Kassianos das Leben der ägyptischen Mönche beschreibt. Die Therapeuten hatten sich in die Umgebung Alexandrias zurückgezogen, in Behausungen, die man „monasteria“ nannte. Aus Philos Beschreibung geht nicht eindeutig hervor, ob die Therapeuten Christen waren, denn als Jude und Weltmensch beschäftigt er sich nur sehr oberflächlich mit jenen Asketen. Zudem machten viele Leute jener Zeit noch keinen klaren Unterschied zwischen Christentum und Judentum, sondern betrachteten das erstere als Häresie des letzteren(13).
Im Leben des heiligen Antonios des Großen, geschrieben von seinem Zeitgenossen, dem hl. Athanasios dem Großen, Erzbischof von Alexandria(14), heißt es, dass zu der Zeit, wo Antonios im Alter von kaum 20 Jahren sein asketisches Leben begann(15), die ägyptischen Mönche in der Umgebung der Städte und Dörfer lebten. Der Heilige entschlief im Jahr 356 im Alter von 105
Jahren(16).
Es gibt Zeugnisse, wonach das Mönchtum seit der nachapostolischen Zeit auch in Syrien existierte. Die heilige Martyrerin Eudokia, die zur Zeit des römischen Kaisers Trajan (98-117) in Heliopolis lebte(17), wurde zum Christentum bekehrt vom heiligen Germanos, der einem Männerkloster mit 70 Mönchen vorstand, und Eudokia selbst trat nach ihrer Bekehrung in ein Frauenkloster mit 30 Mönchinnen ein.
Am Ende des 3. Jahrhunderts begründete der heilige Antonios der Große das eremitische Mönchsleben. In der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts errichtete der heilige Pachomios der Große(18) in Tabennesis in der Wüste der Thebais in Oberägypten sein erstes Koinobion, womit er das koinobitische Leben begründete. Und um dieselbe Zeit begründete der heilige Makarios der Große(19) in der Nitrischen Wüste mit der Mönchssiedlung Sketis das skitiotische Mönchsleben.
Der heilige Basilios der Große, Erzbischof von Cäsarea in Kappadokien, der in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts lebte, erlernte das Mönchsleben unter den Mönchen Ägyptens. Als er nach Kappadokien zurückkehrte und bevor er in den Dienst der Kirche trat, lebte er eine zeitlang als Asket in der Wildnis. Später verfaßte er eine Reihe von Regeln für die Mönche(20). Ein Teil dieser Regeln wurde zur Grundlage für die Führung und Unterweisung aller Mitglieder der Kirche des Ostens.
Das Mönchtum, das sich, wie wir gesehen haben, bis zum 3. Jh. auf die Umgebung der Städte und Dörfer beschränkte, verpflanzte sich später zum größten Teil in die unbewohnte Wüste und verwurzelte und entwickelte sich dort wie in seinem eigentlichsten Gebiet. Doch bestanden nach wie vor auch Klöster am Stadtrand sowie in den Städten selbst, und es wurden sogar neue gebaut.
Abba Kassianos verweist alle, die mehr wissen möchten über die Entstehung des Mönchtums in Alexandria zur Zeit des ersten Bischofs der Stadt, des Evangelisten Markus, auf die Kirchengeschichte, doch leider ist uns diese Kirchengeschichte nicht erhalten geblieben, ebensowenig wie die anderen schriftlichen Monumente des altchristlichen Ägypten. Die Mohammedaner zerstörten sie im 7. Jahrhundert. Dasselbe taten sie freilich auch in den anderen christlichen Ländern, die sie eroberten, jedoch in kleinerem Maßstab.

Weltlicher:
Welches war der Grund, der die Mönche bewog, vom Umfeld der Städte und Dörfer in unbewohnte Gegenden zu ziehen?

Mönch:
Diese Umsiedlung vollzog sich in Phasen, nach dem Ende der Periode der Verfolgungen und des Martyriums, als eine neue Entwicklung begann, insofern der christliche Glaube nun zunehmend nicht mehr nur von den Auserwählten angenommen wurde, das heißt jenen, die von Gott einen besonderen Ruf empfangen hatten und entschlossen waren, jede Prüfung und sogar den Tod zu erdulden, sondern allgemein von allen Bürgern des Römischen Reichs, wo das Christentum jetzt überwog, beschützt wurde und sich ausbreitete. Es breitete sich so sehr aus, dass es schließlich überall vorherrschte.
Doch leider wußten die Christen die frühere Selbstverleugnung nicht zu bewahren. Sowohl jene in den Städten als auch jene in den Dörfern ließen sich absorbieren von den vielen Alltagssorgen und gestatteten sich überdies fleischliche Genüsse, Luxus, Teilnahme an weltlichen Vergnügungen und ganz allgemein all das, was die ersten Bekenner des Glaubens als mit der christlichen Lebensweise unvereinbar betrachtet hatten, anders gesagt, all das, was ohne Übertreibung der geistigen Verleugnung Christi gleichkommt.
Deshalb präsentierte sich die Wüste als natürlicher Zufluchtsort, als ein ruhiger Hafen, unberührt von dem, was als Skandal empfunden wurde von jenen Christen, die begehrten, in ihrem Leben das Christentum in seiner ganzen Kraft zu bewahren und zu entfalten.
„Die Wüste“, sagt Abba Isaak der Syrer, „ist nützlich sowohl für die Schwachen als auch für die Starken. Für die ersteren, weil sie dort keine der Gelegenheiten finden, welche die Leidenschaften reizen und mehren, und für die Starken, weil ihnen dort der Krieg mit dem Widersacher wegen solcher Gelegenheiten erspart bleibt(21).“
Hör zu, wie der heilige Basilios den Nutzen beschreibt, den der heilige Gordios(22) aus seinem Rückzug in die Wüste empfing: „Gordios entzog sich dem Trubel der Städte, dem Menschenauflauf der Marktplätze, der Arroganz der Herrschenden, den Gerichten, den Verleumdungen, den Verkäufern, den Käufern, den Schwüren, den Lügen, den unanständigen Redensarten, den Scherzen und allem anderen, was die Bewohner der großen Städte wie Zubehör mit sich schleppen. In Reinheit bewahrte er seine Ohren, in Reinheit seine Augen, in Reinheit allem voran sein Herz, damit er Gott schauen und die Seligkeit erlangen konnte. Durch göttliche Offenbarung schaute er die Mysterien und wurde belehrt, nicht von Menschen, nicht durch die Vermittlung von Menschen, sondern vom Großen Lehrer Selbst, dem Geist der Wahrheit(23).“
Zur Zeit der Verfolgungen trugen sowohl die Kleriker als auch die Mönche gewöhnliche Kleider, so wie alle anderen Menschen. Dies schützte sie einigermaßen vor ihren Verfolgern. Nach ihrem Auszug in die Wüste aber erwarben die Mönche ein besonderes Gewand, welches die gänzliche Abgrenzung des Mönchtums von der Welt deutlich machte.

Mönchtum und Theologische Schulen

Weltlicher: Nur eine verschwindend kleine Zahl von Menschen empfangen die Kenntnis der Mysterien, die dem heiligen Gordios durch göttliche Offenbarungen enthüllt wurden. Heutzutage wird der christliche Glaube in den Kirchlichen Schulen auf befriedigende Weise und bis in die Einzelheiten gelehrt, und höheres Wissen vermitteln zudem die Theologischen Akademien.

Mönch: Zwischen dem Wissen, das in den Theologischen Schulen vermittelt wird, und dem Wissen, das in den Klöstern erworben wird oder erworben werden sollte, besteht ein großer Unterschied, obwohl der Gegenstand des Wissens derselbe ist, nämlich das Christentum.
Als der Welterlöser Seine heiligen Apostel aussandte, damit sie die Welt evangelisierten, gebot Er ihnen, alle Völker den Glauben an den wahren Gott und das Halten Seiner Gebote zu ehren. „Geht hin und unterweist alle Völker“, sagte Er, „tauft sie im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu halten, was Ich euch aufgetragen habe“ (Mt 28,19-20).
Die Unterweisung im Glauben geht der Taufe voraus, während die Unterweisung im Leben gemäß den Geboten der Taufe nachfolgt. Die erste Unterweisung ist theoretischer Art, die zweite ist praktischer Art.
In seiner Reden an die Presbyter von Ephesos sagte der heilige Apostel Paulus über die Unterweisung im Glauben: „Nichts von dem, was ihr wissen müßt, habe ich euch verheimlicht, sondern ich habe es euch bekannt gemacht und euch unterwiesen, sowohl in der Öffentlichkeit als auch in den Häusern, und Juden wie Hellenen dringend ermahnt, umzukehren zu Gott und an unseren Herrn Jesus Christus zu glauben“ (Apg 20,20-21).
Und über die Unterweisung im christlichen Leben schrieb er den Kolossern: „Christus in euch, die Hoffnung auf Herrlichkeit, Ihn verkünden wir, indem wir jeden Menschen ermahnen und jeden Menschen unterweisen in aller Weisheit, um jeden Menschen hinzuführen zur Vollkommenheit in Christus Jesus“ (Kol 1,27-28).
Beide Unterweisungen über Gott wurden von Ihm Selbst gegeben, sowohl die Lehre des Worts, die mit dem Glauben angenommen wird, als auch die Unterweisung in der Lebensführung, die angenommen wird durch die Umsetzung der evangelischen Gebote in die Tat. Die erstere ist, so könnte man sagen, das Fundament des Bauwerks, während die letztere das Bauwerk selbst ist, das auf diesem Fundament errichtet wird. Es ist unmöglich, ein Haus zu bauen ohne Fundament. Doch auch das Fundament ist unnütz, wenn darauf nicht das Haus gebaut wird. „Glaube ohne Werke ist tot“ (Jak 2,26).
Die Notwendigkeit der ersten Unterweisung unterstreicht der heilige Apostel, indem er schreibt: „Der Glaube kommt vom Hören, das Hören aber von der Verkündigung des Wortes Gottes. Wie nun werden sie (an den Herrn) glauben, wenn sie nicht gehört haben von Ihm? Und wie werden sie von Ihm hören, wenn niemand verkündet?“ (Röm 10,17; 10,14).
Dies also ist der Grundsatz der Katechese. Diejenigen, die zum Christentum kamen, wurden von den Aposteln und ihren Nachfolgern unterwiesen in den grundlegenden Dogmen über Gott, den Gottmenschen und den Menschen, über die Stellung des Menschen in der Zeit und in der Ewigkeit, über die Mysterien, die Seligkeit des Paradieses, die Qualen der Hölle und generell über all das, was die grundlegende Glaubenslehre der Kirche Christi bildet. Dem fügten sie die Lehre bei über das Leben im Einklang mit den Geboten des Evangeliums. Das also ist das Prinzip der dogmatischen und der geistigen Lehre dieser so hohen und heiligen Wissenschaft.
Schon zur Zeit der Apostel traten in der Kirche Christi Häresien auf, das heißt falsche Lehren über Gott, die aus dem menschlichen Denken stammten. In der göttlichen Offenbarung ist kein Platz für menschliche Vorstellungen, denn alles in ihr, von Alpha bis Omega, ist göttlich. Deshalb hat sich die Heilige und Katholische Kirche von Anfang an mit aller Sorgfalt bemüht, diesen ihren geistigen Schatz von unermeßlichem Wert unverfälscht zu bewahren. Sie sorgte für die Abwehr der Angriffe nicht nur ihrer äußeren Feinde, d.h. der Götzenanbeter und der Juden, sondern auch jener ihrer inneren Feinde, d.h. der Häretiker, indem sie diese ausschloß aus ihrer Mitte und ihre Irrlehren zerriß. Damit schützte sie ihre Glieder vor dem seelenverderbenden Einfluß derselben.
Mit der Zeit nahm die dogmatische Apologetik und das übrige theologische Schrifttum der von Gott erleuchteten kirchlichen Lehrer und Schriftsteller solche Ausmaße an, dass es notwendig wurde, diese auf systematische Art in besonderen Schulen zu lehren. Die älteste dieser Schulen war jene von Alexandria, die besonders im 2. und 3. Jahrhundert blühte. Je mehr aber im Laufe der Jahrhunderte die Irrlehren zunahmen, die sich der göttlichen Offenbarung entgegenstellten, desto unumgänglicher wurde es, in allen Ortskirchen theologische Schulen einzurichten. Nachdem schließlich der ganze Westen sich abtrennte vom Osten und in die Häresie fiel und von einem gewissen Gesichtspunkt aus sogar in den Götzenkult, traten eine Vielzahl von Häresien auf, die gegen die Orthodoxie in den Kampf zogen. Und welche Häresien! Die heimtückischsten, die unverschämtesten, die ungeheuerlichsten und lästerlichsten!
Die theologischen Schulen waren für die Orthodoxe Kirche von lebenswichtiger Notwendigkeit. Sie wurden für sie ebenso unerläßlich wie das Atmen für den lebendigen Körper. Verstehst du? Es ist notwendig, dass wir dem orthodoxen Christen und insbesondere dem künftigen Hirten die authentische Lehre der Orthodoxen Kirche vermitteln, ihn aber auch informieren über alle ihre siegreichen Kämpfe gegen ihre offenkundigen und verborgenen Feinde – jene Kämpfe, die sie nun seit mehr als achtzehn Jahrhunderten führt und weiter zu führen haben wird gegen die ständig weiter wuchernden Häresien. Es ist notwendig, die Abirrungen des Arius und des Makedonios offenzulegen, jene von Nestorios und Eutyches, jene der Ikonengegner, jene des Papismus und des Protestantismus mit ihren zahllosen Verzweigungen, die letztlich im Atheismus enden, sowie jene der modernen Philosophie. Alle diese falschen Lehren müssen auf zufriedenstellende Weise widerlegt werden.
In der Frühzeit des Christentums erforderte das Erlernen der Theologie nicht so viel Zeit wie heute. Damals genügte die vergleichsweise kurze Katechese, die in den Kirchen vermittelt wurde. Heute aber ist ein systematisches Studium von mehreren Jahren notwendig, um die christliche Lehre in ihrer ganzen Fülle zu erlernen.
Diesem Zweck dienen die Kirchlichen Schulen und Theologischen Akademien. Sie vermitteln die grundlegenden und einführenden Kenntnisse, wie die Väter sie nennen, über das Christentum, vor allem an junge Menschen, die sich anschicken, in den Dienst der Gemeinschaft zu treten. Das heißt, diese Schulen vermitteln ausschließlich das theoretische Wissen in bezug auf den christlichen Glauben, jedoch nicht das geistige Wissen an sich, welches durch die Erfahrung erworben wird und um dessentwillen Gott dem Menschen das irdische Dasein geschenkt hat. Eigentlich aber müßte in diesen Schulen zugleich auch eine lebendige praktische und geistige Erziehung gewährt werden.

Ausschließliche Ausrichtung des Mönchs auf Gott

Der Christ, der im Einklang mit den Geboten des Evangeliums in der Welt lebt, wird in jedem Fall reich werden nicht nur an Erfahrungswissen, sondern bis zu einem gewissen Grad auch an geistigem Wissen. Unvergleichlich reicher an solchem Wissen aber wird der Mönch, denn nachdem er alle Daseinssorgen hinter sich gelassen hat, setzt er seine ganze Zeit und alle seine Kräfte, die körperlichen ebenso wie die seelischen, dafür ein, Gott zu gefallen.
Der Mönch ist im eigentlichsten Sinn „jener, der die Gebote hält“, wie das Evangelium sagt, denn die Gebote sind sein einziger Besitz. „Wer Meine Gebote hält und sie erfüllt“, sagt der Herr der Welt, „der ist es, der Mich liebt. Und wer Mich liebt, wird geliebt werden von Meinem Vater, und auch Ich werde ihn lieben und Mich ihm zeigen“ (Joh 14,21).
Deshalb pflegten über alle Jahrhunderte hinweg die gottesfürchtigsten unter den Christen nach Vollendung ihrer Studien in den Schulen in die Lebensordnung der Mönche einzutreten, wie es auch heute noch geschieht, um jene Bildung zu erlangen, die nur im Mönchtum erlangt werden kann.
Wer waren die großen Lehrer der Kirche zu allen Zeiten? Die Mönche. Wer erläuterte mit aller Ausführlichkeit die Lehre der Kirche? Wer bewahrte die Tradition für die nachfolgenden Generationen? Wer entlarvte und zerschlug die Häresien? Die Mönche. Wer besiegelte mit dem eigenen Blut das orthodoxe Glaubensbekenntnis? Die Mönche.
All das ist völlig natürlich. Denn die Christen, die in der Welt leben und gebunden sind mit deren Fesseln, absorbiert von verschiedenen Daseinssorgen, freiwilligen und unfreiwilligen, haben nicht viel Zeit und können nicht ihr ganzes Leben der Liebe Gottes widmen. „Der Unverheiratete sorgt sich um die Angelegenheiten des Herrn, wie er dem Herrn gefalle, der Verheiratete aber sorgt sich um die Angelegenheiten der Welt“ (1 Kor 7,32-33). Der Verheiratete, der sich nicht gelöst hat von den weltlichen Angelegenheiten, kann sich nicht wie der Mönch ständig und intensiv auf den Herrn konzentrieren im Gebet, sodass er „ein Geist wird mit Ihm“(1 Kor 6,17).
Die menschliche Weisheit ist nützlich für die Lehrer und Apologeten der Kirche, nicht aber für den Christen, der um seinen geistigen Fortschritt ringt. Viele ungebildete Gläubige, darunter auch der heilige Antonios der Große, gelangten durch das Mönchtum zur christlichen Vollkommenheit und gossen das Licht des Heiligen Geistes in reicher Fülle aus über ihre Zeitgenossen, durch ihr Vorbild, durch ihr Wort, durch die Gnadengaben, die sie empfangen hatten. „Wer von den Weltlichen“, sagt der heilige Johannes Klimakos, „hat je Wunder gewirkt? Wer Tote erweckt? Wer Dämonen ausgetrieben? Kein einziger! Alle diese Dinge sindKampfpreise der Mönche, die die Welt nicht erlangen kann(24).“

Wahre und unwürdige Mönche, wahre und unwürdige Christen

Weltlicher: Aber nicht alle Mönche erreichen diesen hohen Stand. Nur eine verschwindende Minderheit erfüllt ihre Sendung zur Gänze.

Mönch: Die Mönche, die in Übereinstimmung mit der mönchischen Ordnung leben, empfangen auf jeden Fall die göttliche Gnade, wie es der Herr versprochen hat. Jene Mönche hingegen, die mißachten, was Gott für das Mönchsleben angeordnet hat, das heißt jene, die ungehorsam sind, nachlässig, hingeneigt zum Genuß und zur Welt, machen keinerlei geistigen Fortschritt.
Das Gleiche geschieht auch mit allen anderen Christen. Diejenigen, die ein christliches Leben führen, werden gerettet. Jene, die ein götzendienerisches Leben führen, gehen verloren, auch wenn sie Christen genannt werden.
In früheren Zeiten wurden weit mehr Christen gerettet. Heute werden wenige gerettet und noch wenigere gelangen zur Heiligkeit. Was ist schuld daran? Die allgemeine Erschlaffung des Glaubens und die darausfolgende allgemeine Lockerung der Sitten. Dennoch gibt es auch heute wahre Mönche und wahre Christen.
Es gibt tatsächlich, ich wiederhole es, Mönche, die ihres Namens und ihrer Berufung unwürdig sind. Doch ihre Unwürdigkeit ist ein menschlicher Verstoß gegen die von Gott eingesetzte Ordnung. Was Gott instituiert hat, bleibt nichtsdestoweniger heilig, selbst wenn die Menschen dagegen verstoßen. Mindert sich vielleicht der Wert des Christentums, weil die meisten Christen ein Leben führen, das unvereinbar ist mit der Lehre Christi? Gewiß nicht.
Das Christentum wird repräsentiert von den wahren Christen und das Mönchtum von den wahren Mönchen. Und wie werden wir die wahren Mönche erkennen? Dies ist in der Tat nicht leicht. Die Gottesfurcht und die Tugend gleichen sittsamen Töchtern, die stets anständig gekleidet sind und meist zurückgezogen in ihren Häusern leben. Die Dirnen hingegen ziehen schamlos und halbnackt durch die Strassen. Es kommt häufig vor, dass die hohe geistige Lebensweise eines Mönchs erst kurz vor seinem Tod oder auch danach offenbar wird. Geisttragende Mönche werden von der Welt oftmals aus Haß beschimpft und verleumdet (s. Joh 15,18-19).
Zudem gibt es im geistigen Fortschritt unterschiedliche Grade, je nachdem, ob einer stark ist oder schwach, denn das Mönchsleben führen sowohl starke Christen als auch schwache, ist es doch, wie gesagt wurde, für beide von Nutzen. Die Zahl der ersteren ist freilich stets viel kleiner als jene der letzteren.

Die evangelischen Grundlagen des Mönchtums

Weltlicher:
Nach allem, was Ihr bisher gesagt habt, bleibt notwendig, dass Ihr beweist, dass das Mönchtum von Gott instituiert worden ist.

Mönch:
Der Welterlöser hat denjenigen, die an Ihn glauben, zwei Wege gezeigt, das heißt zwei Lebensweisen. Der eine dieser Wege sichert uns die Rettung. Der andere führt uns zur Vollkommenheit. Dieser letztere ist es, von dem der Herr gesagt hat: „Wenn einer Mir dienen will, so folge er Mir nach“ (Joh 12,26). Hier geht es also um den Weg, dem jene folgen, die unmittelbar und ausschließlich dem Herrn Jesus dienen wollen. Es ist der Weg, dem Er Selbst folgte während der Dauer Seiner gottmenschlichen Gegenwart auf Erden. Es ist der Weg, der die Quintessenz Seiner Lehre bildet.
Voraussetzungen der Rettung sind erstens der Glaube an Christus, zweitens eine Lebensweise in Einklang mit Seinen Geboten und drittens die Heilung der Seele von der Krankheit der Sünde, das heisst von den Folgen allfälliger Übertretungen der Gebote, durch die Metanie. Folglich ist die Rettung möglich für all jene und wird all jenen gewährt, die in der Welt leben, ohne sich dem Gesetz Gottes zu widersetzen.
Einige Christen folgen jedoch dem Herrn, wie ich schon sagte, als Ihm geweihte Jünger und Diener. Von diesen werden einige von Ihm Selbst berufen, wie zum Beispiel die heiligen Apostel. Im allgemeinen jedoch bleibt die Weihung an Christus der freien Entscheidung des Menschen überlassen. Sie ist eine Angelegenheit seiner persönlichen und freien Wahl (25),wie aus allen diesbezüglichen Stellen im Evangelium deutlich wird. „Will einer Mir nachfolgen...“ (Mt 16,24, Mk 8,34)), „Willst du vollkommen sein...“ (Mt 19,21), „Wenn einer zu Mir kommt..“ (Lk 14,26) sagte der Herr stets, bevor Er über die christliche Vollkommenheit sprach.
Während aber das Streben nach der Vollkommenheit von der inneren Neigung und dem freien Willen des Menschen abhängt, sind die Voraussetzungen dafür von Christus definiert worden. Keiner kann Ihm nachfolgen, wenn er diese Voraussetzungen nicht erfüllt: „Will einer Mir nachfolgen, so verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge Mir nach“ (Mt 16,24, Mk 8,34). Und: „Willst du vollkommen sein, dann geh hin, verkaufe, was du hast, und gib es den Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben. Sodann komm und folge Mir nach“ (Mt 19,21), „indem du das Kreuz auf dich nimmst“ (Mk 10,21)(26). Ferner: „Wenn einer zu Mir kommt und nicht seinen Vater und seine Mutter, seine Frau und Kinder, seine Geschwister und sogar seine eigene Seele haßt, kann er nicht Mein Jünger sein. Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und Mir nachfolgt, kann nicht Mein Jünger sein. Wer sich nicht löst von allem, was er besitzt, kann nicht Mein Jünger sein“ (Lk 14,26-27, 14,33).
Die hier genannten Bedingungen sind genau das, was die grundlegenden Gelübde des Mönchtums bildet. Wie wir schon sagten, war das Mönchtum am Anfang einfach der Rückzug aus dem Trubel der Welt jener Christen, die nach der christlichen Vollkommenheit dürsteten. Auf Rat des heiligen Evangelisten Markus entfernten sich solche Christen aus der dichtbevölkerten und reichen Stadt Alexandria und ließen sich außerhalb derselben nieder. Einen ähnlichen Rat gibt auch der heilige Apostel Paulus all jenen Christen, die sich sehnen, in enge Kommunion zu treten mit dem Herrn. „Ihr seid Tempel des Lebendigen Gottes, wie Er Selbst gesagt hat: ‚Ich werde in ihnen wohnen und unter ihnen wandeln, und Ich werde ihr Gott sein, und sie werden Mein Volk sein’ (Lev 26,12). ‚Deshalb geht weg aus ihrer Mitte und sondert euch ab, sagt der Herr, und rührt nichts Unreines an’ (Is 52,11), ‚und Ich werde euch annehmen’ (Ex 20,34). ’Ich werde euch Vater sei, und ihr werdet Mir Söhne und Töchter sein’, sagt der Herr, der Allherrscher (2 Kön 7,8; 7,14).’ “ (2 Kor 6,16-18). Nach dem heiligen Johannes Klimakos richtet sich diese Aufforderung hauptsächlich an die Mönche(27).
Die oben zitierten Worte des Herrn wurden in der Kirche von Anfang an so verstanden, wie sie hier ausgelegt werden. Der heilige Athanasios von Alexandria beschreibt, wie der heilige Antonios der Große in seiner Jugend eines Tages wie gewohnt in die Kirche ging. Es traf sich, dass gerade jene Stelle aus dem Evangelium des Matthäus vorgelesen wurde, wo der Herr mit dem Reichen spricht, der das ewige Leben erlangen wollte. Der junge Antonios, ratlos damals hinsichtlich seiner Zukunft und der Lebensweise, die er wählen sollte, empfand innigst, dass der Herr jene Worte eigens für ihn und ganz persönlich zu ihm sagte: „Willst du vollkommen sein, dann geh hin, verkaufe, was du hast, und gib es den Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben. Sodann komm und folge Mir nach“ (Mt 19,21). Und ohne Zeit zu verlieren verkaufte er alle seine Habe und wurde Mönch(28).
Bis heute versteht die Kirche jene Worte des Herrn als Grundlage des Mönchtums. Deshalb werden sie bei jeder Mönchstonsur als Teil des diesbezüglichen Gottesdienstes vorgelesen.
Die Verpflanzung des Mönchtums von den Stadträndern in die Einöden vollzog sich imGefolge von Offenbarungen und Weisungen Gottes an verschiedene Seiner Heiligen. Der heilige Antonios der Große wurde vom Herrn Selbst in die tiefe Wüste gerufen(29). Auf Weisung eines Cherubs ließ sich der heilige Makarios der Große in der Wüste der Sketis nieder(30), undvon einem Engel ebenfalls wurde der heilige Pachomios der Große zur Gründung eines Koinobions in der Wüste aufgefordert und empfing von ihm die Regeln für das Mönchsleben, die er später niederschrieb(31). Diese Heiligen hatten den Heiligen Geist empfangen und waren in ständiger Kommunion mit Gott. Deshalb sind sie für die Mönche auf alle Zeiten „Münder Gottes“, wie man sagen könnte, so wie Moses „Mund Gottes“ war für die Israeliten (s. Ex 4,12-16).
Alle christlichen Epochen hindurch hat der Heilige Geist nicht aufgehört, das Mönchtum zu erleuchten und zu lenken. Die Lehre dieser „Wissenschaft der Wissenschaften“, wie die Heiligen Väter dasselbe nennen (32), ist Lehre des Heiligen Geistes, Lehre Christi, Lehre Gottes. Sie ist der Inhalt der von Gott eingegebenen Schriften der heiligen Mönche. Einstimmig bezeugen sie alle, dass das die menschliche Natur übertreffende Mönchsleben nicht von Menschen erfunden, sondern von Gott instituiert worden ist.

Die Mönche als heilige Martyrer

Weltlicher: Einige behaupten, der ursprüngliche Antrieb zum Mönchtum seien die Verfolgungen gewesen, die die Götzenanbeter während der ersten drei Jahrhunderte der christlichen Ära gegen die Christen entfesselten.

Mönch: Es ist unvermeidlich, dass die fleischliche Weisheit stets auf verkehrte Art denkt über die geistigen Menschen. Die Mönche der ersten Jahrhunderte, als die geistigen Menschen, die sie waren, hatten alles andere als Angst vor der Verfolgung und dem Tod. Ganz im Gegenteil, sie dürsteten nach dem Martyrium, wie wir es sehen in den Leben der heiligen Martyrermönche Nikon, Julian, Eudokia, Eugenia, Febronia und so vieler anderer(33). Der Eremit Gordios, von dem wir vorhin sprachen, stieg vom Gebirge hinab nach Cäsarea in Kappadokien, um sich dem Martyrium zu stellen. Er begab sich in die Stadt zur Zeit eines großen heidnischen Festes, bekannte Christus mit Kühnheit auf dem Hauptplatz in der Stadtmitte und im Theater und besiegelte dieses Bekenntnis mit seinem Martyrertod(34).
Als der römische Kaiser Maximinus im Jahr 311 in Alexandria eine neue Verfolgung vom Stapel ließ, war der heilige Antonios der Große bereits Mönch. Er hörte davon, wie die Gläubigen um Christi willen schreckliche Foltern und einen bitteren Tod ertrugen, worauf er die Wüste verließ und in die Stadt eilte. Dort ermutigte er die Martyrer in ihrem Kampf und bekannte selbst furchtlos den Herrn, womit er deutlich zeigte, wie sehr auch er sich nach dem Martyrium sehnte. Doch wie sein Biograph schreibt, „der Herr bewahrte ihn zu unserem Nutzen und zum Nutzen der anderen, das heißt, damit er vielen zum Lehrer werde in der Askese, in der er selbst unterwiesen worden war durch die Heiligen Schriften“(35).
Schon hatte Gott begonnen, die reiche Ernte an Heiligkeit der Martyrer, die Seinen Namen bekannten vor den Götzenanbetern, durch eine andere, noch reichere Ernte zu ersetzen – das nunmehr unblutige Martyrium der Mönche. Als das Blut der Gläubigen zu fließen aufhörte auf den Plätzen und in den Theatern der römischen Städte, zogen Tausende von Christen in die unbewohnten Wüsteneien, um dort ihr Fleisch zu kreuzigen mitsamt den Leidenschaften und den Begierden (s. Gal 5,24), um Christus zu bekennen nicht vor den Menschen, sondern vor den Beherrschern der Welt der Finsternis, den Fürsten und Mächten der Bosheit (s. Eph 6,12).
Gewiß, der hl. Paulos von Theben floh in die Wüste, als um 250 die Verfolgung des Decius ausbrach, um der Verhaftung und dem Tod zu entgehen. Vielleicht taten auch etliche andere Christen dasselbe, sei es wegen der Verfolgungen, sei es unter dem Druck anderer Ereignisse. Doch handelt es sich hierbei um vereinzelte Fälle, die uns nicht zu verallgemeinernden Schlußfolgerung verleiten dürfen hinsichtlich des Ursprungs des Mönchtums. Der allererste Antrieb zum Mönchsleben war nicht die Schwäche des Menschen, sondern die Macht der Lehre Christi.
In der Einführung zu seinem „Leben des Hl. Paissios“ schreibt Abba Johannes Kolobos: „Die ewigen himmlischen Güter erwecken unwiderstehliches Verlangen in denjenigen, die hoffen, sie zu erlangen. Sie überfluten ihre Herzen mit unaussprechlicher göttlicher Süße und bewegen sie, jederzeit der künftigen Seligkeit zu gedenken, die die Belohnung ist für ihre Mühen, der lichterfüllte Sieg der Asketen. Und so spornen sie sie an auf ihrem asketischen Weg. Deshalb verachten jene, die die ewigen Güter lieben, nicht nur jedes vergängliche und nichtige Ding, sondern bereitwillig opfern sie für Christus auch ihr eigenes Leben, gemäß dem Wort des Evangeliums. Den Tod um des Herrn willen ersehnen sie mehr als alle Genüsse und alle Verlockungen dieser Welt. Doch da es heutzutage keine Verfolger gibt und der ersehnte Tod nicht rasch kommt, versuchen sie, sich ihm auf andere Weise zu nähern, nämlich mit der ständigen asketischen Gewalt gegen sich selbst, um das vollkommenen Ersterben gegenüber der Welt und der Sünde zu erlangen. So unterwerfen sie sich tagtäglich großer Mühsal, ertragen viele Krankheiten, ergeben sich verschiedenen Übungen, fasten und ringen mit den unsichtbaren Dämonen(36).“

Weltlicher: Die Askese des Mönchtums ist, wie ich sehe, gleichbedeutend mit dem Kampf des Martyriums.

Mönch: Ja. Es geht um denselben Kampf, der jedoch auf zwei verschiedene Arten geführt wird. Martyrium und Mönchtum gründen beide auf denselben Worten des Evangeliums. Weder das Martyrium noch das Mönchtum sind menschliche Erfindungen, sondern beide wurden der Menschheit gegeben und instituiert vom Herrn Selbst. Sowohl das Martyrium als auch das Mönchtum ist nur realisierbar mit der allmächtigen Hilfe Gottes, mit der Stärkung durch die göttliche Gnade.
Davon wirst du dich überzeugen können, wenn du die Leben der heiligen Mönche liest, zum Beispiel von Antonios dem Großen, Makarios dem Großen, Theodor dem Studiten(37), Maria der Ägypterin(38), Ioann dem Ausdauernden von Kiew(39), Nikon dem Dürren von Kiew (40) und anderen, deren Askese und Prüfungen über der menschlichen Natur waren.
Der heilige Symeon der Neue Theologe sagt über seinen geistigen Vater, den heiligen Symeon den Frommen, der Mönch war im Kloster Studion, er habe solche Bedrängnisse und Versuchungen erduldet, dass er vielen der größten Martyrer gleich geworden sei (41).

Besitzlosigkeit und Ehelosigkeit

Weltlicher: Erklärt mir, Vater, welches die Bedeutung der Besitzlosigkeit und der Ehelosigkeit ist. Diese beiden sind ein dunkler Fleck für viele Christen, die in der Welt leben und sich mühen für das Gemeinwohl, reichlich Almosen verteilen und viele gute Werke tun, wie sie das Evangelium zeigt und empfiehlt. Weil niemand sie aufgeklärt hat über dieses Thema, betrachten sie das Mönchsleben als Faulenzerei und Tatenlosigkeit und halten es für unnütz.

Mönch: Die Erfüllung der evangelischen Gebote vermittels körperlicher Werke durch die in der Welt lebenden Christen ist unerläßlich für ihre Rettung, aber unzureichend für die Erlangung der Vollkommenheit. Nichts hindert den Menschen, der in der Welt lebt mit all ihren Sorgen und Pflichten, Werke dieser Art zu vollbringen. Kommt er in seiner weltlichen Karriere voran, so gibt ihm das die Möglichkeit, seine guten Werke zu vermehren. So kann zum Beispiel der Reiche seinen armen Brüdern helfen mit Almosen, und der Regierende kann jene schützen, die Unrecht erleiden. Wer aber diese Art von Werken vollbringt, muss sich in acht nehmen, damit es ihm nicht ergeht wie dem Pharisäer im Gleichnis des Evangeliums (s. Lk 18,10ff). Dieser vollbrachte in der Tat viele gute Werke, doch er bewertete sie auf verkehrte Art. Deshalb entwickelte er auch eine falsche Meinung von sich selbst und von seinem Nächsten. Seine guten Werke gefielen Gott nicht.
Der Apostel sagt, dass wir die guten Werke tun sollen als gute Verwalter der vielfältigen Gnadengaben, die Gott uns anvertraut hat (s. 1 Petr 4,10). Deshalb gebe der Reiche die Almosen in der Erkenntnis, dass das Vermögen, das in seinem Besitz ist, nicht ihm gehört, sondern Gott, Der es ihm anvertraut hat, damit er es verteile gemäß dem Gesetz des Evangeliums. Und der Regierende wiederum helfe von seiner hohen Stellung aus den Menschen in der festen Überzeugung, dass ihm diese Stellung von Gott gegeben wurde, damit er sie nutze zum gemeinsamen Wohl aller und nicht zu seinem persönlichen Vorteil.
Auf diese Weise schwindet allmählich jeder verächtliche Blick auf den Nächsten wegen seiner Mängel und Fehler. Stattdessen erwacht im Gewissen die Beunruhigung des gerechten Hiob: Sind meine Werke wirklich so, wie es Gott gefällt oder gibt es darin größere oder kleinere Mängel? (s. Hiob 10,15). So gelangt einer zu einer genaueren Kenntnis seiner selbst und der rechten Lebensführung.
Du wirst mir zustimmen, dass das Mönchsleben jenen Leuten vor allem deshalb als untätig und nutzlos erscheint, weil sie ihre eigene Tätigkeit überschätzen und infolgedessen falsch beurteilen. Das Merkmal echter christlicher Lebensführung ist die Demut. Der Hochmut hingegen, das heißt die gute Meinung, die hohe Vorstellung von der eigenen Person, ist das Merkmal unchristlicher Lebensführung, wie der Herr Selbst gezeigt hat (s. Mt 20,26; Lk 18,14).
Die Meinung, die du angeführt hast, offenbart Unkenntnis des Christentums, eine falsche und verzerrte Auffassung desselben. Die christliche Vollkommenheit hat der Gottmensch Seinen Jüngern durch Sich Selbst aufgezeigt. Diese Vollkommenheit beginnt an dem Punkt, wo die guten Werke der Weltlichen enden, d.h. zu ihrer Erfüllung gelangen.
Lerne das Mönchtum kennen, erfahre, worin seine Vollkommenheit besteht, und dann wirst du auch seine Bedeutung erkennen. Dann wirst du begreifen, wie ungerecht, wie lästerlich die Anklagen wegen Faulenzerei und Untätigkeit sind, die von vielen Weltlichen abgefeuert werden gegen die Mönche. Die Mönche kämpfen, um die höchsten der Gebote des Evangeliums einzuhalten - Dinge, die unzugänglich sind für Weltliche. Diejenigen, die Anklagen und Beschimpfungen verbreiten gegen das Mönchtum, lästern indirekt die vom Herrn selbst gebotene christliche Vollkommenheit.

Weltlicher: Durchaus einverstanden! Erklärt mir also mit aller Deutlichkeit, was Besitzlosigkeit und Ehelosigkeit bedeuten auf dem Weg zur christlichen Vollkommenheit.

Mönch: Ihre Bedeutung ist enorm. Ich werde versuchen, sie dir soweit zu erklären wie ich vermag.
Wer sein Vermögen an die Armen verteilt, um dem Erlöser zu folgen und sich Ihm zur Gänze unterzuordnen, wer arm wird, um sein sündiges Selbst zu bezähmen durch die Entbehrungen der Armut, welche in reicher Fülle zur Demut verhilft, hört damit auf, seine Hoffnungen auf die Welt zu setzen. Von nun an setzt er sie alle auf Gott. Er fängt an, auf den Wassern dieses Daseins zu schreiten, gehalten vom Glauben (s. Mt 14,25ff). Sein Herz übersiedelt von der Erde in den Himmel (s. Lk 12,34). Jede Sorge wirft er auf den Herrn, Der Seinen Jüngern geboten hat, sich nicht zu sorgen wegen ihrer materiellen Bedürfnisse, sondern in erster Linie nach dem Reich Gottes zu streben und nach Seiner Gerechtigkeit, und Der ihnen versprochen hat, dass in diesem Fall Seine Fürsorge diese Bedürfnisse erfüllen wird (s. Mt 6,24-33).
Zu Zeiten erlaubt Gott, dass Seine Diener von verschiedenen Bedrängnissen heimgesucht werden. In solchen Momenten hast du das Gefühl, die göttliche Fürsorge habe sich zurückgezogen und die Macht der Welt sei unbesiegbar geworden. Solches ist jedoch unerläßlich, um den Menschen den lebendigen Glauben an den Herrn zu lehren, jenen Glauben, der durch die Erfahrung ständig wächst und sich festigt. Die Erfahrung widerlegt und verurteilt den Unglauben der gefallenen menschlichen Natur. Die Erfahrung verurteilt seine Apostasie, seinen Abfall von Gott. Denn sie weiß, wie leicht das Herz abgleitet, wenn wir auch nur ein wenig erschlaffen im Wachen über dasselbe, und mit welch erbärmlicher Blindheit es sich zurückwendet zur Welt, zur Materie, seine Hoffnung vom Herrn wegnimmt und sie in jene legt.
Aus dieser kurzen Analyse wird deutlich, dass die völlige Selbstübergabe des besitzlosen Mönchs in die Hände Christi eine sehr hohe geistige Verfassung bedeutet, die ihn von den weltlichen Christen unterscheidet. Diesen letzteren fehlt die Möglichkeit zur Erfahrung dieses Zustands, der nicht nur sehr hoch, sondern auch schwer zu ertragen ist. Es ist ein Zustand ununterbrochener Mühsal für den Körper und für die kranke menschliche Natur allgemein.Deshalb hat ihn der Herr als „Kreuz“ bezeichnet (s. Mt 10,38; Mk 10,21, Lk 14,26)
Die Ehelosigkeit steht in enger geistiger Nähe zur Besitzlosigkeit. Der Kampf, den ein Mensch führt, um seine gefallene Natur mit ihrer typischen Fleischlichkeit zu besiegen, ist eine Herkules-Arbeit, die unvorstellbar und unbegreiflich ist für jene, die sie nicht vollbracht haben. Mit diesem Werk wird die Verleugnung der gefallenen Natur zur Vollendung gebracht. Mit diesem Werk wird die Kreuzigung vollendet, die mit der Lösung von jedem Besitz begann. Mit diesem Werk steigt der Kämpfer hinab in die tiefste Tiefe der Demut, erwirbt lebendigen Glauben und steigt auf zu den Gipfeln der göttlichen Gnade.
Im Verlaufe seines Kampfes, wie die Leben vieler heiliger Mönche zeigen – z.B. jene des hl. Antonios des Großen, des hl. Ioanns des Ausdauernden usw. –, wirken freilich die gefallenen Geister mit seiner gefallenen Natur zusammen und bemühen sich, ihn im Zustand des Sturzes festzuhalten. Doch sein Sieg ist von großem Glanz – entsprechend selbstverständlich der Mühen, die er auf sich genommen hat – und hat zur Folge, dass nun in seinem Herzen die geistige Wahrnehmung erwacht, wie es die Heiligen Väter nennen(42). Die Natur bleibt im wesentlichen, was sie ist, das heißt menschlich, doch ihre Wahrnehmung ändert sich, indem sie die Fähigkeit zur Gottesschau erwirbt, wie Abba Isaak der Syrer sagt(43). Man könnte sagen, dass hier etwas Ähnliches geschieht wie bei Papier, das mit Öl getränkt wurde. Es kann kein Wasser mehr aufsaugen, nicht etwa, weil sich seine Natur geändert hätte, sondern weil es gesättigt istmit einer anderen Substanz, die keine natürliche Verwandtschaft hat mit Wasser.

Die Ehelosigkeit der Mönche (44)

Weltlicher: Heutzutage behaupten viele, das Leben in Ehelosigkeit sei weder natürlich, noch auch möglich. Sie sagen, indem der Mensch damit der Natur die legitime Tür der Ehe verschließe, nötige man sie, illegitime Türen zu suchen.

Mönch:
Jeder Mensch beurteilt die Dinge gemäß seiner persönlichen Erfahrung. Was er nicht kennt und nicht erfahren hat, scheint ihm unmöglich. Für diejenigen hingegen, die es kennen und erfahren haben, ist das Leben in Ehelosigkeit nicht nur möglich, sondern auch das einzige der menschlichen Natur gemäße Leben.
Die Heiligen Väter, die über dieses Thema geschrieben haben, sagen übereinstimmend, dass das Leben in Ehelosigkeit die natürliche Lebensweise des Menschen vor dem Fall war und erst für den gefallenen Menschen zu etwas widernatürlichem wurde. Mit seiner geistigen Erneuerung jedoch erwirbt der Mensch abermals die Fähigkeit zum Leben in Jungfräulichkeit und Ehelosigkeit.
Gott ehrt die Ehelosigkeit mehr als die Ehe, obwohl das Christentum dem Ehestand große Würde verliehen hat, ungleich größere, als er in vorchristlicher Zeit hatte (s. Eph 5,32).
Der Gottmensch lebte auf Erden ein jungfräuliches Leben. Seine Allheilige Mutter war und blieb Jungfrau. Die heiligen Apostel Johannes der Theologe, Paulus und Barnabas sowie unzweifelhaft viele andere, lebten in Jungfräulichkeit(45). Von den ersten christlichen Zeiten an traten Gruppierungen von Jungfrauen auf – ein Phänomen, das höchst selten war in der Zeit vor der Erneuerung der menschlichen Natur durch den Welterlöser.
Dank dem Herrn und durch Ihn wurde das göttliche Wohlwollen über das ganze Menschengeschlecht ausgegossen, wie die Engel bei Seiner Geburt zu Recht sangen (s. Lk 2,14), und erleuchtete und heiligte die Menschen mit einer Vielzahl von Gnadengaben.
In der Belehrung, die der Priester gemäß der kirchlichen Gottesdienstordnung am Ende des Mysteriums der Eheschließung den Neuvermählten vorliest, wird die geistige Fruchtbarkeit der Christen auf sehr anschauliche Weise dargestellt:
„Der große Acker der Kirche Gottes unseres erhabenen Herrn wird auf dreierlei Arten bebaut und trägt Frucht auf dreierlei Arten. Der erste Abschnitt des Ackers wird bebaut von jenen, die die Jungfräulichkeit liebten und diese unversehrt bewahren bis ans Ende ihres Lebens, und er bringt der Scheune des Herrn die Frucht der Tugenden hundertfältig ein. Der zweite Abschnitt des Ackers wird bebaut von denen, die nach ihrer Verwitwung in Enthaltsamkeit leben, und er bringt sechzigfältige Frucht ein. Der dritte Abschnitt des Ackers wird bebaut von denen, die kraft des Mysteriums der Eheschließung das gemeinsame Joch der Ehe auf sich nahmen, und wenn sie in Frömmigkeit und Gottesfurcht leben, bringt er dreißigfältige Frucht ein. Derselbe Acker hat verschiedene Abschnitte von je unterschiedlicher Fruchtbarkeit. Doch alle sind gesegnet und des Lobes wert entsprechend ihrer Zweckbestimmung. Wie der gottweise Ambrosius sagt, preisen wir so die Jungfräulichkeit, damit auch der Witwenstand nicht verworfen werde, und den Witwenstand ehren wir, damit auch die Ehre der Ehe hochgehalten werde(46).“

Weltlicher: Wie kann ein Christ erkennen, ob er zum ehelosen Leben taugt oder nicht? Mit dieser Frage muß sich, so glaube ich, intensiv jedwelcher auseinandersetzen, der Mönch werden möchte.

Mönch: Fähig zu diesem Leben ist jeder, der sich aufrichtig danach sehnt. Vor dem Fall hatte der Mensch die freie Wahl zwischen dem Verbleiben im Zustand der paradiesischen Seligkeit und dem Verlassen desselben. Ebenso hat der Mensch, der losgekauft worden ist vom Erlöser Christus, abermals die freie Wahl und Möglichkeit, entweder die Erneuerung seiner Natur zu erlangen – wäre es auch nur bis zu dem Grad, der unerläßlich ist für seine Rettung – oder sie abzulehnen. Wählt er das letztere, verbleibt der Mensch im Zustand des Sturzes.
Die Erneuerung unserer Natur ist ein Geschenk des Erlösers. Mit unserem guten Willen entscheiden wir uns zwar frei für eine jede der evangelischen Tugenden, doch wir empfangen sie als Geschenk von Christus. Unseren guten Willen beweisen wir, indem wir uns selbst Gewalt antun, um die Tugend zu erwerben und gleichzeitig Gott mit viel und beharrlichem Gebet bitten, sie uns zu schenken. Keine der evangelischen Tugenden gehört der gefallenen menschlichen Natur zu eigen. Für jede muß der Kämpfer sich selbst Gewalt antun. Und alle muß er vom Herrn erbitten mit demütigem Gebet, das einhergeht mit der Trauer des Herzens(47).
Wie alle anderen evangelischen Tugenden ist auch die Ehelosigkeit etwas, das der Mensch aus freiem Willen wählt. Und er beweist die Aufrichtigkeit seines Entschlusses, indem er seine leidenschaftlichen Neigungen bekämpft und seinen Körper bezähmt durch Askese. Doch im Bewußtsein seiner Unfähigkeit, die Reinheit aus eigenen Kräften zu erlangen(48), erbittet er sie als Geschenk von Gott durch ununterbrochenes und von Tränen begleitetes Gebet (49). Und das Geschenk wird ihm gewährt mit dem Besuch der göttlichen Gnade, die seine Natur erneuert. Der hl. Theophilakt von Ochrid, der die Fähigkeit des Menschen zur Ehelosigkeit auf diese Weise erklärt, schließt mit diesen Worten des Herrn: „Wer bittet, empfängt“ (Mt 7,8; Lk 11,10)(50).

Lies die Leben der heiligen Mönche, wo deren Kampf gegen die Leidenschaften beschrieben ist, und du wirst feststellen, dass alle von ihnen ausgingen vom gewöhnlichen Zustand des gefallenen Menschen, der unfähig ist zur Ehelosigkeit, und den Zustand der fortwährenden Keuschheit erreichten nach einem intensiven Kampf gegen die Begierde und den Trieb der gefallenen Natur.
Ebenso wirst du feststellen, dass die Hauptwaffen in diesem Kampf das Gebet und die Trauer waren. Schließlich wirst du feststellen, dass nicht nur die Jungfräulichen befreit wurden von jedem Verlangen nach der Ehe und die Verwitweten von jenem nach Rückkehr in den Ehestand, sondern dass selbst solche, die zuvor ein verderbtes Leben voller fleischlicher Leidenschaften geführt und sich beschmutzt hatten mit schändlichsten Gesetzwidrigkeiten und gefesselt gewesen waren mit den Ketten sündiger Gewohnheiten, dass selbst solche Menschen unverderbliche Reinheit erlangten und sich aufschwangen zur Heiligkeit.
In der Kirche des Neuen Bundes sind, ich wiederhole es, nicht nur Abertausende von jungfräulichen oder verwitweten Menschen beider Geschlechter, sondern auch Abertausende von Ehebrechern und Dirnen zu auserwählten Gefäßen der Gnade geworden. Sie alle sind ein unwiderlegbares Zeugnis dafür, dass die Errungenschaft der Reinheit weder ein Ding der Unmöglichkeit noch übermäßig schwer zu erlangen ist, wie es einige Theoretiker darstellen, denen es an jenem Erfahrungswissen mangelt, zu dem die geistige Tradition der Kirche verhilft. Diese Theoretiker – ich sage es ohne Umschweife – schöpfen ihre Überlegungen und Schlußfolgerungen aus ihrer eigenen Zügellosigkeit sowie aus einem hartnäckigen Vorurteil oder auch aus einer blinden Antipathie gegenüber dem Mönchtum.
Zu Recht schrieb der heilige Isidoros von Pelusion in einem Brief an den heiligen Kyrillos von Alexandria: „Das Vorurteil sieht unklar, die Antipathie sieht überhaupt nicht (51).“

Ärgernisse in Klöstern - ihre Ursache und Behandlung

Weltlicher: Wir müssen allerdings zugeben, dass auch die Ärgernisse, die ans Licht kommen und breitgeschlagen werden, zur Vervielfältigung der negativen Kommentare über die Klöster und die Mönche beitragen.

Mönch: Gewiß. Glaub nicht, ich wolle ein Übel verdecken, das schädlich ist für alle. Ganz im Gegenteil, ich möchte aufrichtig, dass jedes Unkraut verschwindet vom Acker Christi, dass dieser Acker nur reinen Weizen hervorbringt. Doch ich sage es abermals: Es ist unbedingt notwendig, dass wir die göttliche Institution unterscheiden von den menschlichen Entgleisungen, damit wir den letzteren mit Erfolg entgegentreten können. Ebenso ist unbedingt notwendig, dass wir das Übel richtig begreifen, damit wir die geeigneten Gegenmaßnahmen ergreifen können, statt das Übel durch ein anderes Übel zu ersetzen, die Verblendung durch eine andere Verblendung, die Entgleisung durch eine andere Entgleisung. Denn sonst treten wir die göttliche Institution mit Füssen, verzerren sie und verwerfen sie, so wie es die Protestanten getan haben mit dem Mönchtum der Römischen Kirche.
Es ist unerläßlich, dass wir eine genaue Kenntnis haben von der Kunst und den Methoden der Therapie, damit wir die richtigen, wirksamen, wahren Heilmittel anwenden. Mit einer falschen Behandlung aber werden wir den Kranken nicht zur Heilung führen, sondern zum Tod. Die Ansichten der weltlichen Christen unserer Zeit über die Mönche sind generell verfehlt, und dies rührt zuallererst daher, dass sie sich selbst scharf abgrenzen von denselben. Doch besteht zwischen den Christen, die in der Welt leben, und denen, die in den Klöstern leben, eine enge geistige Beziehung.
Jene, die in den Klöstern leben, sind ja nicht vom Himmel gefallen, sie sind nicht vom Mond gekommen oder von irgendeinem fremden Planeten. Auch sie kamen aus der sündigen irdischen Welt. Ihre Gesinnung, derentwegen das Mönchtum angeklagt wird, entwickelte sich in dieser Welt, bevor sie Mönche wurden, und sie wird weiterhin genährt von dieser selben Welt, nachdem sie Mönche geworden sind, auf Grund des Zustroms vieler weltlicher Besucher zu den Klöstern. Die ungute geistige Verfassung der heutigen Mönche ist keineswegs ohne Bezug zur geistigen Dekadenz der Weltlichen. Vielmehr ist die erstere die unmittelbare Folge der letzteren.

Die allgemeine Dekadenz des Christentums und ihre Auswirkung auf das Mönchtum

Das Mönchtum gründet auf dem Christentum. Deshalb blüht es oder degeneriert es entsprechend der Blüte bzw. der Dekadenz des Christentums. Der springende Punkt des Problems ist mithin das Christentum selbst. Das Mönchtum ist ein Aspekt desselben, ein besonderer Ausdruck desselben. Die Krankheit ist daher eine gemeinsame!
Weinen wir daher zusammen über diese Krankheit und sorgen wir zusammen für ihre Heilung! Erweisen wir jedem unserem Menschen Mitgefühl, erweisen wir Liebe! Lassen wir die harten gegenseitigen Beschuldigungen beiseite, mit denen wir bloß unsere Antipathie und unserer Pharisäertum zum Ausdruck bringen, läuft doch solches auf den Versuch hinaus, die Krankheit zum Verschwinden zu bringen, indem wir die Kranken mit Balken schlagen (s. Mt 7,3-5)!

Weltlicher: Eure Klarstellung hinsichtlich der geistigen Beziehung zwischen Mönchen und Weltlichen höre ich zum ersten Mal. Ich nehme an, sie stammt aus Eurer Erfahrung, denn anders ist nicht zu verstehen, warum sie sich so grundlegend von den anderen, oberflächlichen und theoretischen Betrachtungsweisen unterscheidet. Ich bitte Euch, lehnt es nicht ab, sie mir mit mehr Einzelheiten darzulegen.

Mönch: Du irrst dich nicht, diese Klarstellung ergibt sich einerseits aus meinen eigenen Beobachtungen und andererseits aus Informationen, die ich von absolut glaubwürdigen Personen erhalten habe.
Einmal diskutierte ich mit dem Metropoliten Serafim von St. Petersburg(52), über die Zunahme der Scheidungen, die heute anhand der Daten der kirchlichen Gerichte festzustellen ist. Er sagte mir, zur Zeit, als er Bischof von Dimitrow und Vikar der Eparchie Moskau gewesen sei, habe das kirchliche Gericht jeweils nicht mehr als eine oder höchstens zwei Scheidungsurkunden pro Jahr ausgestellt. Und betagte Hierarchen jener Zeit bezeugten ihm sogar, dass in ihrer Jugendzeit Scheidungen unbekannt waren. Hier haben wir ein Indiz, das unleugbar die sittliche Dekadenz unserer Zeit beweist, eine betrübliche Dekadenz, die rasch zunimmt.
Zur gleichen Schlußfolgerung gelangen wir, wenn wir die Zeugnisse betagter Mönche über das Mönchtum ihrer jungen Jahre hören. Anfangs dieses Jahrhunderts(53) kamen in die Klöster noch viele Christen, denen die fleischliche Sünde, der Genuß von Wein, weltliche Vergnügungen und weltliche Lektüren unbekannt waren, Christen, die ihre Seelen kultiviert hatten mit dem Studium der Heiligen Schrift und den Schriften der Heiligen Väter, die nirgendwohin gingen außer in die Kirche und die heiligen Gottesdienste, die noch keine üblen Gewohnheiten erworben hatten, sondern gewohnt waren, nur das Gute zu tun.
Diese Christen brachten ins Kloster, in das sie eintraten, ihre Spiritualität mit, eine stabile und saubere Spiritualität, aber auch ihre körperliche Gesundheit, die noch nicht, wie es heute der Fall ist, Schaden genommen hatte von den vielen Mißbräuchen, und die deshalb imstand waren, die Askese, die Mühen und Entbehrungen des mönchischen Lebens zu schultern. Die tiefe Frömmigkeit, die damals im Volk herrschte, bereitete und zog gute Mönche heran, Mönche, die stark waren in ihrer Seele und ihrem Leib.
Das laue Christentum unserer Zeit jedoch bringt laue, kraftlose Mönche hervor. Heutzutage kommt selten einer ins Kloster, der nicht bereits die fleischliche Sünde gekostet hat! Selten noch kommt einer ins Kloster, der völlig gesund ist, tauglich für die Kämpfe des Mönchs! Meist kommen Menschen ohne Kraft, ohne körperliche und seelische Gesundheit. Sie kommen mit einem Gedächtnis voll von schlechten Erinnerungen, von Darstellungen aus billigen Romanen und anderen weltlichen Lektüren. Sie kommen gesättigt von sinnlichen Genüssen, die ihnen die heutige Welt in reicher Fülle bietet. Sie kommen mit eingewurzelten sündigen Gewohnheiten und mit einem Gewissen, das infolge ihres bisherigen Lebenswandels, der nicht nur jede Sünde, sondern auch jede Art von Selbstbetrug zu ihrer Rechtfertigung erlaubte, beinahe ganz erstorben ist.

Die Notwendigkeit des geistigen Kampfes und der Absonderung von der Welt

Der Kampf solcher Mönche mit sich selbst ist äußerst schwer, sowohl ihrer schlechten Sitten wegen, als auch wegen ihrer Unfähigkeit, aufrichtig zu sein. Deshalb ist auch ihre geistige Führung entsprechend schwer. Sie haben zwar die weltliche Kleidung abgelegt und das Mönchsgewand angezogen, doch die weltliche Gesinnung und die Gewohnheiten des weltlichen Lebens haben sie nicht abgelegt, und weil diese nun keine Befriedigung mehr finden, gewinnen sie neue Kraft. Diese Gewohnheiten schwächen sich erst dann ab, wenn der Mensch sie bekämpft, erstens mit der regelmäßigen Beichte und zweitens mit dem fortwährenden Krieg gemäß den Weisungen der Heiligen Väter.
Nur das kann ihn davor bewahren, sich gierig und wie außer sich in die Befriedigung einer ausgehungerten Gewohnheit, die ihre ganze Macht über ihn bewahrt hat, zu stürzen, sobald sich die Gelegenheit zu ihrer Befriedigung ergibt.
Viele Häfen, die vormals den im Geiste Kranken Hoffnung gaben, veränderten sich mit der Zeit und fielen dahin. Mit Häfen meine ich die Klöster. Viele von diesen, die einst in der tiefen Wildnis gegründet worden waren oder zumindest abseits der Welt, befinden sich heute wegen der Bevölkerungszunahme und der Ausdehnung der Städte mitten in der Welt, mitten in zahllosen Versuchungen.
Nicht genug, dass der geistig kranke Mönch, der unfähig ist, den Versuchungen zu widerstehen, denselben unausweichlich begegnet, sobald er hinaustritt aus der Klosterpforte – jetzt drängen diese Versuchungen mit manischer Hartnäckigkeit in das Kloster selbst ein, wo sie Freveltaten und geistige Verödung bewirken. Der Geist der Feindseligkeit gegenüber dem Mönchtum hält das Eindringen der Versuchung und die Hervorrufung von Ärgernissen in einem Kloster für seinen Triumph. Dieser „Triumph“ wird begleitet von lautem Gelächter und Händeklatschen, als ob es hier um irgendeinen historischen Sieg ginge, während die Sünde und ihre Folgen in Wirklichkeit gewohnte Erscheinungen im Leben des gefallenen Menschen sind.
Heute mehr denn je müssen die Klöster weit weg von den Städten liegen, wegen der geistigen Dekadenz der Welt. Als die Leute noch kirchlich lebten, unterschied sich die Frömmigkeit der Weltlichen nur insofern von der Frömmigkeit der Mönche, als die ersteren im Ehestand lebten und weltlichen Besitz hatten. Damals konnten die Klöster auch mitten in den Städten liegen, ohne dass dies für die Mönche eine Gefahr bedeutete. Den Beweis hiefür liefern im übrigen die vielen Heiligen, die die städtischen Klöster hervorbrachten.
Heute aber müssen wir in besonderem Maß auf die Worte des Apostels achten, die ich vorher erwähnte (2 Kor 6,16-18, s. 1. Teil, Seite 10), und uns sorgfältig bemühen, sie in die Tat umzusetzen.

Das beste Alter für den Eintritt ins Mönchsleben

Weltlicher:
Nach Ansicht vieler könnten die Ärgernisse vermieden oder zumindest verringert werden, wenn man ein Gesetz einführte, das nur reifen und betagten Menschen den Eintritt ins Kloster gestattet, nicht aber den Jungen, weil in diesen die Leidenschaften kochen, sodass die äußeren Versuchungen besonders heftig wirken.

Mönch:
Eine solche Maßnahme mag denen als richtig und vernünftig scheinen, die keine Kenntnis haben vom Wesen des Mönchtums, das heißt den Vertretern der fleischlichen Weisheit, die meinen, auf diese Art werde das Mönchtum überleben und neu erblühen. Doch das Gegenteil würde geschehen, sollte ein solches Gesetz eingeführt werden. Das Mönchtum würde dadurch eine schwere und verhängnisvolle Wunde empfangen, die seine Entartung und letztlich seinen Untergang zur Folge haben würde!
Das Mönchtum ist die Wissenschaft der Wissenschaften, jene Wissenschaft, in welcher Theorie und Praxis miteinander einhergehen. Sein Weg ist auf der ganzen Länge erleuchtet vom Evangelium. Indem die Mönche diesem Weg folgen, gehen sie mit Hilfe des himmlischen Lichts von der Äußerlichkeit zur Innerlichkeit über, und mit dieser Verinnerlichung erwerben sie empirische, gelebte Erkenntnis der Wahrheit des Evangeliums. Oder in der Sprache der Weisen dieser Welt ausgedrückt: Das Mönchtum verhilft zu den fundamentalsten und genauesten, tiefsten und höchsten Erkenntnissen der Erfahrungspsychologie und der Theologie. Das heißt, es verhilft zur aktiven und lebendigen Erkenntnis des Menschen und Gottes, soweit diese Erkenntnis dem Menschen zugänglich ist.
Damit sich einer erfolgreich mit einer der menschlichen Wissenschaften beschäftigen kann, braucht er besondere Fähigkeiten und Affinitäten sowie unerschöpfliche innere Kraft. In noch höherem Grade gilt dies für das Studium der Wissenschaft der Wissenschaften, das heißt für das Mönchtum.
Der Mönch ist gerufen, mit seiner eigenen Natur zu ringen. Das beste Alter, um in diesen Kampf einzutreten, ist die Jugend, denn in dieser Phase ist der Mensch noch nicht zum Gefangenen schlechter Gewohnheiten geworden, und so ist sein Wollen noch frei. Die Erfahrung zeigt, dass die besten Mönche diejenigen sind, die sich von Jugend an ins Mönchsleben einordneten. Selbst in unserer Epoche noch sind die meisten von denen, die ins Kloster kommen, Jugendliche. Jene der reiferen Jahrgänge sind selten, die Betagten verschwindend wenige, und meistens vermögen diese dem Druck und den Schwierigkeiten des Mönchslebens nicht standzuhalten. So kehren sie früher oder später in die Welt zurück, ohne begriffen zu haben, was das Mönchtum ist. Und jene von ihnen, die im Kloster ihrer Metanie ausharren, leben in einer oberflächlichen Frömmigkeit, indem sie zwar mit Sorgfalt die das Äußere betreffenden mönchischen Regeln einhalten, an welchen auch die Weltlichen Gefallen haben, doch die Essenz des Mönchtums findet man nicht bei ihnen, oder dann nur höchst selten. Hören wir auf die Ermahnungen unserer Heiligen Kirche. „Mein Kind“, sagt der weise Sirach in seiner von Gott gegebenen Weisheit, „von deiner Jugend an erwähle die Zucht, so wirst du bis zum Alter die Weisheit erlangen. Wie der Pflüger und der Sämann befasse dich mit ihr und warte auf ihre guten Früchte“ (Sir 6,18-19). Und: „Genieße, o Jüngling, deine Jugend! Dein Herz freue sich aller Tage deiner Jugend. Doch wandle auf den Wegen deines Herzens ohne Tadel, ohne dich verführen zu lassen von dem, was deine Augen sehen“ (Ekkles 11,9). Und: „Von Jugend an liebte und suchte ich die Weisheit. Ihre Schönheit bezauberte mich, und ich suchte sie heimzuführen als meine Braut. Sie strahlt, ist sie doch von edler Herkunft, denn sie lebt bei Gott, und der Gebieter aller hat ihr Seine Liebe geschenkt. Sie ist eingeweiht in das Wissen Gottes und begreift Seine Werke“ (Weish 8,2-4).
Es liegt auf der Hand, dass diese Worte sich nicht auf die Weisheit der Welt und des Weltbeherrschers beziehen, sondern auf die göttliche Weisheit. Die Heiligen Väter setzen sie in Bezug zur Wissenschaft der Wissenschaften, zum Mönchtum.
Das 6. Oekumenische Konzil bekräftigt in seinem 40. Kanon, dass es sehr heilsam ist, sich zurückzuziehen vom Trubel des Daseins, um Gott anzuhangen. Nichtsdestoweniger bestimmt es, dass die Mönchstonsur erst nach gebührender Prüfung und Erprobung des Kandidaten erfolge, und nicht bevor dieser das zehnte Altersjahr vollendet hat, damit seine Erkenntnisfähigkeit Zeit hat, sich genügend zu entwickeln(54).
Viele heilige Mönche, wie wir in ihren Leben feststellen, begannen ihren Weg im Mönchtum im Alter von zwölf Jahren. Betagte hingegen werden von den Heiligen Vätern nicht als geeignet betrachtet für das Mönchsleben, weil sie viele eingewurzelte Gewohnheiten haben, verfestigte Denkweisen und verminderte Kräfte. Jugendliche Heldentaten sind nicht für Greise! Deshalb weigerte sich der heilige Antonios der Große anfänglich, den sechzigjährigen Paulos den Einfachen als Jünger anzunehmen, und sagte ihm, in seinem Alter würde er die Mühsal der Askese nicht ertragen(55). Viele der Väter, die schon in ihrer Kindheit ins Kloster eintraten, erreichten hohe Stufen geistigen Fortschritts, und dies dank ihres unversehrten freien Willens, ihrer Reinheit, ihrer Empfänglichkeit und Aufnahmefähigkeit, wie sie alle Kinder kennzeichnet, und weil sie sich frühzeitig an das Gute gewöhnt hatten.

Über das Mönchtum 1.pdf
Über das Mönchtum 2.pdf

Anmerkungen:
Die Untertitel stammen vom Übersetzer. Quelle: http://prodromos-verlag.de/texte.html
(1) Aus dem 2. Band des 5-bändigen Hauptwerks "Asketische Erfahrungen" des hl. Ignatij, Bischof des Kaukasus und des Schwarzen Meeres (1807-1867, siehe Das Synaxarion am 30. April). Russische Originalausgabe St. Petersburg 1865. Das vorliegende Kapitel wurde ins Deutsche übersetzt vom Kloster des Hl. Johannes des Vorläufers, Chania 2011, aus der griechischen Fassung: Hl. Kloster Paraklitou, Oropos (Attika) 2009.
(2) Siehe Hl. Markus der Asket, Brief an den Mönch Nikolaus, 12 (in: Philokalie Bd. 1).
(3) Siehe Hl. Petros von Damaskus, Erstes Buch, Vorrede und Sechste Erkenntnis (in: Philokalie Bd. 3).
(4) „Die heiligen Väter redeten miteinander über die letzte Generation. Sie fragten: ‚Welches Werk haben wir getan?’ Einer von ihnen namens Is’chirion, der groß war in der Tugend, sagte: ‚Wir haben die Gebote Gottes gehalten.’ Da fragten die anderen: ‚Und was werden jene tun, die nach uns kommen?’ Er antwortete: ‚Sie werden die Hälfte tun von dem, was wir taten.’ Wiederum fragten die anderen: ‚Und was werden jene nach diesen tun?’ Er antwortete: ‚Die Menschen jener Generation werden kein Werk mehr tun. Deshalb wird ihnen eine Prüfung widerfahren, und jene, die sich bewähren in dieser Prüfung, werden größer sein als wir und als unsere Väter.’ “ (Das Große Gerontikon, Prodromos, Nauen 2009, Seite 578, Kap 18,17).
(5) Siehe hierzu Abba Dorotheos, Asketische Schriften, 1,12 (dt. Fontes Christiani).
(6) Dieses russische Wort hat den Sinn von „Christus gleichgeworden“.
(7) Griech. (monachos)
(8) D.h. „Andersheit“, abgeleitet vom Adjektiv „inoi“: „verschieden, anders, abgesondert von der Welt“. Dementsprechend heißt der Mönch auf Russisch „inok“.
(9) Gemeint ist der hl. Johannes Kassian (365-435, s. Das Synaxarion, Die Leben der Heiligen der Orthodoxen Kirche, 2 Bände, Chania 2005-2006, am 29. Februar) und das Zeugnis des Gesprächs mit Abba Piamun über die drei Arten des Mönchslebens in Collationes Patrum („Gespräche mit den Vätern“, Original lateinisch, dt. Übers. in BKV (online unifr.ch/bkv), integrale franz. Übers. bei Sources Chrétiennes, integrale engl. Übers. in der Serie Ancient Christian Writers (ACW), Paulist Press New York).
(10) Siehe Hl. Johannes Kassian, Ordnung der nächtlichen Gottesdienste in den Koinobien Ägyptens, Kap. 5, in De Institutis coenobiorum („Über die koinobitischen Institutionen“, dt. Übers. in BKV (online unifr.ch/bkv), integrale Übers. in franz. und engl. wie oben).
(11) Siehe Das Synaxarion am 24. Dezember.
(12) Das altgriech. Wort bedeutet „Diener“ und erscheint in der Väterliteratur sowie in der kirchlichen Hymnographie im Sinn von „Diener Gottes“. Es hat nichts zu tun mit dem Wort „Therapeut“ im modernen Sinn.
(13) Siehe hierzu Eusebios von Cäsarea, Kirchengeschichte, 2. Buch, 16,2-17 und 20.
(14) Siehe Das Synaxarion am 1. und am 18. Januar. Das Leben des hl. Antonios aus der Feder des hl. Athanasios ist in verschiedenen dt. Übersetzungen erschienen (alle vergriffen).
(15) Das heißt um das Jahr 270.
16 Siehe Hl. Athanasios von Alexandria, Leben des Hl. Antonios, 3,89.
(17) Siehe Das Synaxarion am 1. März.
(18) Siehe Das Synaxarion am 15. Mai.
(19) Siehe Das Synaxarion am 19. Januar.
(20) Siehe Das Synaxarion am 1. Januar. Die „Mönchsregeln“ des hl. Basilios sind auf Deutsch erschienen beim Eos-Verlag (St. Ottilien 1981).
(21) Isaak der Syrer, „Asketische Reden“, Brief 4, Abs. 10 (griech. Zählung). Griech. in EPE-Philokalie Bde. 8A-C Engl. Ascetical Discourses, Holy Transfiguration Monastery, Boston Mass., 2. Ausgabe 2011.
(22) Siehe Das Synaxarion am 3. Januar.
(23) Hl. Basilios der Große, „Homilie über den Martyrer Gordios“, 3. Urtext in EPE BasMeg Bd. 7.
(24) Hl. Johannes vom Sinai, Klimax, Stufe 2, Abs. 15.
(25) Siehe hierzu Abba Dorotheos, op.cit., 1,11-13.
(26) In den modernen westlichen Übersetzungen des Markus-Evangeliums fehlt dieser Nebensatz des griechischen Textes.
(27) Hl. Johannes vom Sinai, op.cit., Stufe 2, Abs. 15.
(28) Hl. Athanasios von Alexandria, op. cit., 2.
(29) Ebenda, 49.
(30) Siehe das Leben des hl. Makarios in 50 Homilien über das Leben im Hl. Geist, Chania 2008.
(31) Siehe Das Synaxarion am 15. Mai.
(32) Siehe zum Beispiel Abba Kassianos, Zweites Gespräch mit Abba Isaak über das Gebet, Kap. 2, op.cit., und Hl. Nikephoros der Einsiedler, Über die geistige Nüchternheit und das Wachen über das Herz, Philokalie Bd. 4.
(33) S. Das Synaxarion am 23. März, 21. Juni (andernorts auch am 8. Januar), 1. März, 24. Dez. und 25. Juni.
(34) S. Das Synaxarion am 3. Januar.
(35) Hl. Athanasios von Alexandria, op. cit., 46.
(36) Das griechische Leben des Paissos (kopt. Bishoi) wurde im 19. Jh. von dem russischen Orientalisten und Byzantinologen I.V. Pomialovski herausgegeben. Eine gekürzte Fassung davon findet sich in (reprint Athen 1999). Engl. Übers. The Great Synaxaristes of the Orthodox Church (12 Bände, Holy Apostles Convent, Buena Vista, Colorado)
(37) Siehe Das Synaxarion am 11. November.
(38) Siehe Das Synaxarion am 1. April.
(39) Siehe Das Synaxarion am 18. Juli.
(40) Siehe Das Synaxarion am 11. Dezember.
(41) Hl. Symeon der Neue Theologe, 6. Katechese, Bd. 1 der dreibändigen griech.-französischen Ausgabe seiner 34 erhaltenen Katechesen (Sources Chrétiennes Bde 96, 104, 113).
(42) Siehe z.B. Hl. Makarios der Ägypter, Vom Hüten des Herzens, 9 (PG 34, 828), und Über das Gebet, 5 (s. Philokalie, Bd. 3, 150 Kapitel, Kap. 22).
(43) Abba Isaak d. Syrer, op. cit., Rede 69,1 (griech. Zählung).
(44) Hier ist daran zu erinnern, dass in der Orthodoxen Kirche nur die Mönche (und infolgedessen auch die Bischöfe, die alle Mönche sind) zur Ehelosigkeit verpflichtet sind, nicht aber die Priester, sofern sie die Ehe eingehen vor der Priesterweihe.
(45) Siehe ihre Leben im Synaxarion am 26. September, 29. Juni und 11. Juni.
(46) Diese Belehrung, eine Exegese des bekannten Gleichnisses vom Sämann in Mt 13, Mk 4 und Lk 8, findet sich nur in den slawischen Evchologien. Heutzutage allerdings wird sie beim Mysterium der Eheschließung nicht mehr vorgelesen - Anmerkung des griechischen Übersetzers.
(47) Hl. Makarios der Ägypter, Vom Hüten des Herzens, 13 (PG 34, 836-839).
(48) Abba Kassianos, Die acht Hauptleidenschaften – Über den Geist des Hochmuts, Kap 10-11.
(49) Hl. Barsanuphios und Johannes, „Briefe“, Brief 258 (griech.-franz. Barsanuphe et Jean de Gaza, Correspondance, 5 Bde Sources Chrétiennes, engl. St. Barsanuphius and John, Letters, 2 Bde, Catholic University of America Press, Reihe Church Fathers, Bde. 113 und 114. Washington DC 2006-2007.
(50) Siehe Hl. Theophilakt, Kommentar zum Matthäus-Evangelium, Kap. 19,11.
(51)  Hl. Isidoros von Pelusion, Epistoles, EPE, Brief 310, „An Kyrillos von Alexandria: Dass man nicht überstürzte Entscheidungen treffen soll“.
(52) Metropolit Serafim von St. Petersburg (mit bürgerlichem Namen Stefan Vassiljewitsch Glagoljewski) wurde 1751 in Kaluga geboren. Er studierte an der Theologischen Akademie von Moskau, wurde 1787 Mönch im Kloster Saikonospasski, wo er die Priesterweihe empfing. 1795 wurde er Higumen des Klosters Lusetski in Moskau, 1799 Bischof von Dimitrow sowie Vikar der Eparchie Moskau und 1821 Metropolit von St.Petersburg und Nowgorod. Er entschlief 1843.
(53) Der hl. Ignatij, der um das Jahr 1850 schreibt, spricht hier vom 19. Jahrhundert. Was er im Folgenden sagt, gilt offenkundig noch um ein Vielfaches mehr für das 21. Jahrhundert.
(54) Hl. Nikodimos vom Hl. Berg, Pedalion, Ausgabe Astir Athen 1957, S. 254.
(55) Weil aber der hl. Paulus eine außergewöhnliche Fähigkeit zur Askese bewies, nahm ihn der hl Antonios schließlich doch an. Siehe Das Synaxarion am 7.März.