Über Gott den Sohn (nach dem hl. Gregor von Nazianz)

Montag, den 22. Juni 2009 um 20:27 Uhr
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Im orthodoxen Treffen 2001 sprach Erzpriester Nikolai Artemoff zum Thema: “Über Gott den Sohn (nach dem hl. Gregor von Nazianz)”. Er gründete seinen Vortrag auf die dritte und vierte Rede aus den fünf theologischen Reden des hl. Gregors des Theologen, das ist das erste und zweite Wort, das eigens dem Gottessohn gewidmet ist. Aus dem umfassenden anderthalbstündigen Vortrag, der auch noch eine reiche Diskussion hervorrief, wollen wir nur einige Momente herausgreifen.

Der Referent merkte eingangs an, dass der so vertraute und in diesen Tagen häufig gehörte Gesang “Christus wird geboren, verherrlicht! Christus vom Himmel, begegnet! Christus auf Erden, erhebt euch! Singet dem Herrn alle Irdischen...” einfach die Anfangsworte der Predigt des hl Gregorios zum Weihnachtsfest sind (eine ausführliche Analyse des Einflusses der Predigten des hl. Gregor auf die Gesänge des Pfingstfestes wurde im “Boten” Nr. 3/1993 publiziert).

Nachdem er den Einfluss des Heiligen sowie die Hauptereignisse seiner Biographie skizziert hatte, ging Vr. Nikolai zur Textanalyse über, indem er die kirchenväterlichen Ausführungen über das Verhältnis von Gott-Vater und Gott-Sohn nacherzählte und kommentierend erklärte, wie der hl. Gregorios uns zum Verständnis einer rechten Unterscheidung der zwei Naturen –der göttlichen und der menschlichen – in der einen Person Christi führt. Die Vereinigung der beiden Naturen hatte ein klares Ziel: die Rettung des Menschen, sein Heil. Um dieses Heiles willen nahm Christus die menschlichen Schwächen auf Sich, aber auf den gleichen Gebieten erwies Er jeweils auch – zu unserer Rettung –Seine göttliche Macht.


Es wurde darauf hingewiesen, dass der Kirchenvater Christus den Erlöser für die wahre Sophia (Weisheit Gottes) hielt. Die Schriftworte, in denen die personifizierte Weisheit sagt, sie sei “geschaffen” als ein “Werk” Gottes (Spr 8, 22), bezog der hl. Gregorios daher auf die Menschwerdung des Sohnes Gottes, da der Gottessohn zu einem Geschöpf wurde, indem er Fleisch und Mensch wurde. Unter Beachtung dessen, dass die ganze göttliche Dreiheit daran teilnahm, kann man sagen, dass Er Sich Selbst gebildet hat, wobei diese Schöpfung in der Zeit ihr Ziel und ihre Ursächlichkeit hatte: “Was ist der Grund dafür, dass Gott um unseretwillen die Menschheit annimmt? – Damit wir alle gerettet würden.” Aber die Gottheit hat keine Ursache, denn es gibt keine Ursache, die ursprünglicher wäre als Gott. Und diese andere Seite wird in der Bibel an der gleichen Stelle ausgesprochen durch dieselbe Weisheit, den Logos, das Wort und den Sohn Gottes, nämlich dort wo im Zusammenhang mit mehrfachem deskriptiven “vor ... als noch nicht ... bevor... vor ...“ das Verbum “geboren” (“gezeugt”) verwendet wird (Spr 8, 25). Dieses zweite weist auf das Geborensein vom Vater “vor allen Zeiten”, während das erste (“geschaffen” werden) von der Fleischwerdung in der Zeit, in der menschlichen Geschichte spricht. Hierbei zeigte der Referent an verschiedenen Beispielen, dass das Wort Gott keinesfalls mit dem Wort “Vater” gleichzusetzen ist, da die Bezeichnung “Gott” durchaus die göttliche Natur Christi bedeuten kann und, zugleich, zur gesamten Dreiheit, da die Natur des dreieinigen Gottes sich von der Natur von Gott-Christus nicht unterscheidet. Eine unrichtige Zerteilung in dieser Frage wirkt auch vernichtend auf das Verständnis der Heiligen Schrift. So heißt es hinsichtlich der Fleischwerdung Christi in der Schrift: “Gott hat ihn zum Herrn und Gesalbten gemacht” (Apg 2, 36). Viele werden glauben hier sei vom Wirken des Vaters die Rede. Aber der hl. Gregorios weist diesbezüglich auf das Wirken Gottes des Sohnes, indem er sagt: “Denn dies geschah, sowohl durch das Wirken des Geborenen, als auch durch das Wohlgefallen des Erzeugers”. Es wurde immer deutlicher, wie genau in der Bibel die Worte verwendet werden. Was die Auferstehung Christi betrifft: gemäß der Fleischwerdung geschieht auch die Auferstehung. Und wenn derselbe hl. Apostel Petrus wiederum sagt: “Gott hat Seinen Knecht auferweckt” (Apg 3, 26) und “Gott hat Ihn von den Toten auferweckt” (Apg 3, 15), dann sollte man nicht denken, dass hier die Rede sei von einer separaten Handlung Gottes des Vaters. Christus auferstand aus eigener Macht als Gott, indem er Seinen menschlichen Leib auferweckte. Aber dieses Wirken des Sohnes geschah unter dem Wohlgefallen des Vaters. Ebenso genau drückt sich der hl. Apostel Paulus aus, wenn er sagt, dass “Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde” (Röm 6, 4). Die Herrlichkeit (doxa), die die ungeschaffenen Energien der ganzen Gottheit bezeichnet, ist dreiheitlich, der Name Christus (Gesalbter) enthält seinerseits das Wirken der göttlichen (salbenden) Natur auf die menschliche Natur Jesu, die die Salbung empfängt.


In diesem Zusammenhang war die Interpretation einer Stelle im ersten Korintherbrief hochinteressant, wo die Rede ist gewissermaßen von einem “Ungehorsam” Christi bis zum Verschwinden des Todes, bis zum Endgericht und der Offenbarung des Königreiches Gottes (1 Kor 15, 27-28). Diese schwierige Stelle bedarf der Auslegung und erklärt sich folgendermaßen: Der auferstandene und in die Himmel aufgefahrene Christus, der durch den Heiligen Geist Seine Kirche auferbaut, indem Er die Gläubigen zum Gottesgehorsam führt, schreibt Sich deren Ungehorsam zu, solange nicht Alles Gott dem Vater unterworfen ist: Ist aber einmal alles Ihm unterworfen, dann wird auch der Sohn Selber sich Dem unterwerfen, Der Ihm alles unterworfen hat... Hinsichtlich Seiner Gottheit kann beim Sohn, der ja über alles Geschaffene herrscht, keine Rede sein von “Gehorsam” oder “Ungehorsam”, weil diese Kategorien nur denen eignen, die unter einer Macht stehen. Aber insofern als der Sohn Gottes zum Menschensohn geworden ist, nahm Er unseren Ungehorsam auf sich, insofern als Er uns zur Kirche als Seinem Leib auferbaut. Solange also in der Kirche Menschen sind, die zum Teil gehorsam und zum Teil ungehorsam sind, eignet Er sich diesen Ungehorsam an. Der hl. Gregorios merkt an: “So macht Er also meinen Ungehorsam, da Er das Haupt des ganzen Leibes ist, zu Seinem Ungehorsam”. Ebenso wurde Christus für einen jeden von uns zum “Fluch”, wie er genannt wird, da es heißt: “Verflucht ist jeder, der am Holze hängt” (Gal 3, 13); und Er spricht, am Holze hängend, den Psalm 21 (westl. Zählung: 22), der mit den Worten beginnt: “Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen!” Hierbei ging ja Christus nicht etwa Seiner göttlichen Natur verlustig, vielmehr “stellt Er uns dar in Seiner Person”, schreibt der hl. Gregorios. Bezugnehmend auf die nachfolgenden Worte in dem bei den Christen gebräuchlichen Übersetzungstext der Septuaginta (LXX, Ps. 21, 2-3: “Weit entfernt von meiner Rettung sind die Worte meiner Übertretungen (...) es sei nicht zur Torheit für mich”.) fährt der Kirchenvater fort:  “Er eignet Sich auch unseren Unverstand (Torheit) an und unsere Sündhaftigkeit (Übertretungen)”. Also spricht Christus diese Worte nicht “gemäß der Natur”, der einen, die Er als Gott gar nicht verlieren kann, und auch nicht der anderen, da Er sündlos ist und nicht entfremdet von Gott, sondern “gemäß der Aneignung”. In diesem Sinne schließt der hl. Gregorios: “Daher, solange ich ungehorsam und aufrührerisch bin durch meine Leidenschaften und dadurch, dass ich mich Gott entfremde, so lange heißt auch Christus – einzig wegen mir – ungehorsam”. Aber Christus erwirbt Sich in uns zugleich auch solche, die Ihn freiwillig als Herrn und König anerkennen, dann nämlich, wenn wir uns Ihm unterwerfen. Und zugleich: Obwohl es bis zum Ende der Welt solche geben wird, die sein Heil erwerben wollen sowie andere, die dies nicht wollen, ist Er doch schon jetzt und in alle Ewigkeit der König und Allherrscher.

Jedoch erst dann, wenn der Sieg der unwidersprochenen Wahrheit bei der Verklärung der gesamten Welt sich offenbaren wird, dann wird es auch den “Ungehorsamen”, die sich der Wahrheit Christi widersetzen, unmöglich sein, weiter dagegen zu streiten, da sie allen völlig offenkundig sein wird – dann wird Christus Sich offenbaren als “Gott inmitten der geretteten Götter”, “dann hat auch Er, der mich als Geretteten herbeigeführt hat, Seinen Gehorsam erfüllt”. Was hierbei die oben besprochene Frage anbetrifft, wer denn eigentlich die Offenbarung des Reiches Gottes bewirkt, so wird dies ebenfalls dreiheitlich sein. Der Kirchenvater sagt dazu: “Es unterwirft aber sowohl der Sohn dem Vater, als auch der Vater dem Sohn, insofern als der Eine wirkt, und es dem Anderen wohlgefällt (wie zuvor bereits gesagt). Und auf diese Weise stellt der Unterwerfende das Unterworfene ‘Gott dar, indem Er unseren Gehorsam Sich aneignet”. Der hl. Gregorios verweist hierbei auf die Übereinstimmung der Schriftstellen beim hl. Apostel Paulus, der an einer Stelle sagt, es werde “Gott alles in allem sein” (1 Kor 15, 28), und an einer anderen eignet er es eindeutig Christus im Lichte des Reiches Gottes an, wo sein wird “alles und in allem Christus” (Kol 3, 11).


Auf diese Weise liefert nur die rechte Unterscheidung, die fähig ist die reiche Vielseitigkeit der Schriftworte in eins zu bringen, eine klare Antwort auf die Frage, in welchem Sinn unser Herr Jesus Christus gesagt hat “Der Vater ist größer als Ich” (Jo 14, 28), und warum unser Erlöser notwendig unterschied, als Er sprach: “Ich steige hinauf zu Meinem Vater und eurem Vater, Meinem Gott und eurem Gott” (Jo 20, 17).


Die Orthodoxie der Kirchenväter wirkte, wie sich erwies, belebend auf die Seelen der Zuhörer, so dass sich in der Diskussion die soteriologische (auf das Heil bezogene) Thematik weiterentfaltete, u.a. hinsichtlich der westlichen Auffassungen, mit denen die Teilnehmer des Treffens ständig in der einen oder anderen Weise in Berührung kommen.